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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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kam mir vor, als gackerten und krächzten sie mit ihren abgehackten Lauten Gemeinheiten wie: »Gu-gu-gu-gu-guckt euch diesen Feigling an!« Oder »Gla-gla-gla-gla-gleich heult sie noch!«
    Und ich hätte wirklich am liebsten geheult. Vielleicht habe ich sogar geheult, ganz sicher bin ich mir nicht. Ich hörte ihr Gegacker und das lautstarke Schlagen ihrer Schwingen, aber zum Glück achtete niemand im Inneren des Manas auf mich und meine Tränen, ob sie mir nur in den Augen standen oder die Wangen hinabströmten. Denn die Stotterer waren wirklich nah, und es waren sehr viele.
    Der Ersatzmann kratzte sich nervös am Hinterkopf und zischte dem Piloten irgendetwas ins Ohr, und der Pilot selbst büßte ebenfalls an Gelassenheit ein und versuchte, das Mana in eine andere Richtung zu steuern, indem er hastig an irgendwelchen Hebeln zog. Doch er konnte die Kollision nicht verhindern.
    Drei oder vier der Drachenvögel knallten mit dumpfen Lauten gegen die Kugel mit dem Steuerraum, und ein anderer krachte bei voller Fahrt in die Konstruktion aus Streben und Zahnrädern, in deren Mitte die Sternensilberkugel schwebte. Ganz sicher verwandelte sich dieses Tier jäh in ein Brathähnchen, aber viel schlimmer war, dass das Mana ins Schlingern geriet und abrupt an Höhe verlor.
    Der Kapiän fluchte, während ich mein Gesicht in meine Hände und meine Hände ganz fest in Cochas Schoß presste. Ich war überzeugt, dass wir nun abstürzen und sterben würden, und es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich über das Sterben nachdachte.
    Man sagt, wenn man gestorben ist, ist man tot, und wenn man tot ist, dann ist man eben nicht mehr da. Jegliche Energie verlässt den Körper und verschwindet irgendwo im Universum, wo sie vielleicht irgendwann einmal eine andere Aufgabe erfüllt, wahrscheinlich aber eher nicht. Ich wollte aber nicht sterben und tot und nicht mehr da sein. Es ist albern, aber ich hatte Angst vor dem Nichts, das kam, wenn ich weg war. Obwohl mir natürlich klar ist, dass dieses Nichts beinhaltet, dass man auch keine Angst mehr hat, keine Sorgen, keine Schmerzen, nicht einmal eine Erinnerung oder eine Idee. Aber irgendwie machte es das nicht besser. Fast wünschte ich, ich wäre eine Primitive, die sich damit trösten konnte, dass ihre Seele in irgendeiner anderen Sphäre weiterexistierte, wenn sie starb. Obwohl das natürlich unmöglich ist.
    Wie auch immer …
    Wir stürzten natürlich nicht ab. Sonst könnte ich dir ja nicht mehr davon erzählen. Der Kapitän fluchte noch ein bisschen vor sich hin, aber die Stimmen der Stotterer entfernten sich so zügig, wie sie sich uns genähert hatten, und das Mana hörte auf zu schlingern und gewann auch wieder an Höhe.
    »Puh!«, ließ Cocha erleichtert verlauten und kraulte mir den Nacken.
    Mein Kopf war noch immer fest in seinen Schoß gedrückt.
    »Macht es dir was aus, wenn ich dich weiterkraule, obwohl wir doch nicht abstürzen?«, fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf, ohne aufzusehen, atmete seinen süßen Duft, spürte das ruhige Auf und Ab seiner Bauchdecke an meiner rechten Wange und fühlte mich endlich – endlich! – ein kleines bisschen besser.
    Bei Sirrah – gerade eben wären wir um ein Haar abgestürzt, aber Cocha war ganz ruhig. Und er gab mir etwas von seiner unerschütterlichen Gelassenheit ab. Wenigstens so viel, dass ich endlich aufhören konnte zu zittern, und auch die Übelkeit ließ ein bisschen nach.
    »Macht es dir außerdem etwas aus, ein kleines Stückchen nach links zu rücken?«, fügte er hinzu. »Ich meine: In Richtung meiner Knie? Danke … Obwohl … Nein, vergiss es. Danke. Bleib genau so. Alles ist gut. Und gleich sind wir wirklich da.«
    Und so war es dann auch.
    Und du wirst es nicht glauben, aber die Wahrheit ist: Ich war traurig, dass der Flug schon vorbei war. Nur widerwillig erhob ich mich aus Cochas Schoß und kletterte auf wackeligen Beinen aus unserem Mana.
    Der Landeplatz lag auf einem der kahlen, felsigen Hügel, die silbergrau in der Sonne glänzten und denen die Stadt ihren Namen verdankte. Um den Gipfel des höchsten Berges, um den sich niedrigere Hügel drängten, kreiste ein gutes Dutzend Stotterer (»Gu-gu-gu-guckt! Da ist ja der Feigling!«). Hier oben gab es kaum Vegetation, die ihre Stimmen hätte dämpfen können. Darum waren sie das Erste, was mir auffiel, als ich ins Freie kletterte, und ich bedachte sie mit einem bitterbösen Fluch, was Cocha hinter mir zum Lachen brachte.
    Das Zweite, was ich sah, war die Stadt, die

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