Das Mädchen aus dem Meer: Roman
Götterfische, deren Gesänge ihn jetzt nur noch dumpf, kaum noch hörbar erreichten.
Ein Junges?
Froh streckte einen Arm danach aus, weil alles, was er in diesem Moment tun konnte, darin bestand, nach irgendetwas zu greifen, und er erwischte etwas, das sich glatt und glitschig wie eine Auster anfühlte, aber nicht wie Brei zwischen seinen Fingern hindurchglitt, sondern ihnen tatsächlich Halt bot. Eine Flosse. Eine Fluke, um genau zu sein.
Und das Kind des Götterfisches suchte wohl den Anschluss an seine Mutter – jedenfalls zog es ihn und Chita, die sich jetzt an seinen Hals klammerte und ihm wohl die Luft abgeschnürt hätte, hätte er denn solche aus dem Wasser filtern können, in die Höhe, was er daran erkannte, dass sich das Grau mit etwas Blau vermengte und die Schmutzpartikel, die um sie herumwirbelten, das Sonnenlicht reflektierten. Das Tier würde sie retten!
Als er die Sonne bereits als wabernden Klecks durch das trübe Wasser ausmachte, verließ Chita die Kraft. Ihr schmerzhafter Griff um seinen Hals löste sich jäh, und fast wäre Froh froh darum gewesen, hätte es nicht bedeutet, dass sie leblos in die Tiefe sank. Einen Moment rang er mit seinem eigenen Überlebensinstinkt. Auch er würde sterben, wenn er von seinem Retter, dem Götterfisch (falsch: Es war ein Delfin!) abließ. Aber er konnte, durfte, wollte nicht tatenlos zusehen, wie der kraftlose Leib dieses Mädchens, das ihm anvertraut war, dem Grund des Meeres entgegensank, wo der Schlamm sie schlucken und an Vulka verkaufen würde!
Froh ließ los.
Und ein zweiter Delfin schnellte aus den Tiefen des Ozeans hervor, schob das sandfarbene, dünne Kleid mit dem weißen schlaffen Körper darin an ihm vorbei in die Höhe und lächelte, wie nur ein Delfin lächeln kann, während Froh die Schnauze eines dritten und eines vierten Meeressäugers im Rücken spürte.
Ehe er begriff, wie ihm geschah, brach er ohne eigenes Zutun durch die Wellen, segelte ein Stück durch die Luft wie ein Spielzeug, und sog dabei keuchend so viel Luft in seine Lungen, dass sie gleich wieder zu zerplatzen drohten. Doch der Schmerz, der nun in seinem Brustkorb brannte, war ein guter Schmerz.
Noch einmal tauchte er unter, doch nur für die Dauer eines Lidschlags. Dieses Mal verspürte er einen Stoß in den Magen, der ihn wieder an die rettende Luft boxte. Und als er das zweite Mal nach Luft schnappte (was schon ein kleines bisschen weniger wehtat), sah er ihre Retter zum ersten Mal richtig.
Es waren nicht nur drei oder vier stetig lächelnde, bläulich-grau glänzende Tiere, die gleichsam elegant wie verspielt um ihn herum in den Fluten tanzten, sondern weit mehr, als er zählen konnte, denn garantiert fehlerfrei konnte er nur bis zwanzig zählen. Und das auch nur, wenn er neben seinen Fingern auch seine Zehen zur Hilfe nahm. Er war einfach nicht gut darin. Alles über zwanzig war einfach noch einer . Und noch einer und noch einer, und all die anderen Delfine gackerten ihr eigenwilliges Gelächter, während sie sowohl seinen als auch Chitas nach wie vor kraftlosen Leib immer wieder in den Himmel hinaufstießen, ehe sie wie silberne Regenbogen wieder untertauchten, um ihr Spiel gleich darauf von vorne zu beginnen, dass ihm schwindelte und mächtig übel wurde. Aber er lebte, und er konnte wieder atmen.
Als er genug Kraft gesammelt zu haben glaubte, griff er nach einer der glänzenden großen Flossen und hielt die Luft an, weil er erwartete, gleich mit dem Fisch abzutauchen. Doch als ob der Delfin wüsste, was dem Menschen auf seinem Rücken am besten bekam, verzichtete er darauf, gänzlich unterzutauchen, sondern hüpfte halb über der Oberfläche durch das brühwarme Nass, sodass ihm ein weiterer Tauchgang erspart blieb. Und nicht nur das: Das Tier trug ihn auch zu Chita hin, die, wie Froh erst jetzt mit einem Ansatz von Erleichterung erkannte, zwar lebte und auch wieder bei Bewusstsein war, aber längst nicht über die Kraft verfügte, sich an einer der Fluken, von denen es um sie beide herum nur so wimmelte, festzuhalten.
Dafür erwischte Froh sie an einem Knöchel, als einer der Delfine sie zum mehr als zwanzigsten Mal in die Luft stieß, und zog sie dicht zu sich heran. Es war ein Kraftakt, und er musste eine Menge Geschick aufwenden, aber letztlich schaffte er es irgendwie, ihren Kopf an seine Schulter zu ziehen, wozu er ihr natürlich nicht den Hals zudrückte, sondern ihre Schläfe in seine Armbeuge bettete, und ihr Kinn in seine Hand. Der Delfin hüpfte nun
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