Das Mädchen aus Mantua
äußerst begriffsstutzig vor. »Mit welcher denn?«
»Na, mit deiner und meiner.«
Einen Moment lang dachte er tatsächlich, sie meinte zwei verschiedene Heiraten, einmal die ihre und daneben die seine, wobei er keine Ahnung hatte, wen sie heiraten sollte und wen er. Dann erst ging ihm auf, wovon sie sprach.
Dümmlich starrte er sie an. »Du meinst, dass du mich heiraten willst?«
Sie nickte ruckartig. Dann brach sie plötzlich in Tränen aus. »Ich tu’s«, schluchzte sie. »Ich bin dazu bereit! Ja, das bin ich!«
»Chiara, was ist denn los?«, fragte er erschrocken. »Warum weinst du schon wieder?«
Doch sie hatte ersichtlich nicht vor, sich zu erklären. Eine Hand vor dem tränenüberströmten Gesicht, die andere um den Henkel der Laterne gekrampft, drehte sie sich auf dem Absatz um und floh.
Konsterniert blickte Timoteo ihr nach. Während sie sich in die Büsche schlug und seinen Blicken entschwand, fragte er sich, was zum Henker er jetzt schon wieder falsch gemacht hatte. War es normal für eine Frau, dass ihr Herz für jemanden schlug, bei dessen Anblick sie in Tränen ausbrach?
Aber was verstand er schon von Frauen. Gut, eine hatte er inzwischen geküsst, und wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er noch viel mehr mit ihr tun können. Genau genommen brannte er darauf, es zu wiederholen. Wenn man es recht bedachte, konnte er kaum noch an etwas anderes denken als an Celestina und diesen Kuss.
Möglicherweise hatte Chiara es auf irgendeine verborgene Weise bemerkt, es sollte ja angeblich Frauen geben, die mit einem geheimen Sinn dafür ausgestattet waren, Männer zu durchschauen, vor allem dann, wenn diese an andere Frauen dachten.
Ratlos nahm er sein Windlicht und machte sich auf den Rückweg.
Zu seiner Erleichterung traf er Galeazzo und William noch an. Beide hatten gerade das Wirtshaus verlassen und kamen ihm entgegen. Galeazzos Gang war wankend; er hatte sichtlich einen über den Durst getrunken. Wie schon des Öfteren ließ er sich von William stützen und den Weg ausleuchten.
»Na, so was«, sagte er verblüfft, als er Timoteo näher kommen sah. »St … St … Schellichein schon vorbei?«
Trotz seiner Trunkenheit ruhte er nicht eher, bis Timoteo alles berichtet hatte.
»S-Seltsam«, befand er. Er wandte sich an William. »Wie findessu das, Gug-Guglielmo? Auch s-seltsam?«
»Nein«, sagte William. Er fasste Galeazzo fester und schob sich dessen Arm über die Schulter, um ihn besser halten zu können. »Nimmst du ihn an der anderen Seite?«
Timoteo packte Galeazzos anderen Arm. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Hospizium. Darin hatten sie bereits Übung. Das Studentenleben stellte auch in den Nächten zuweilen seine Anforderungen.
»Meint ihr, es könnte vielleicht was mit meinem Bein zu tun haben?«, fragte Timoteo verunsichert.
»Sicher nicht«, sagte William. »Ich denke, sie möchte dich in Wahrheit einfach nicht heiraten.«
»Warum sagt sie dann, dass sie es will? Und heult dabei, als wäre es die schlimmste Sache der Welt?«
Galeazzo mischte sich nuschelnd ein: »Weil Frauen nie w-wissen, w-was sie w-wirklich w-wollen.«
»In dem Fall nicht«, sagte William. »Die Heirat ist höchstwahrscheinlich für sie nur der Ausweg aus einem Dilemma.«
»A-ha!«, machte Galeazzo tiefsinnig. »Nun verstehich!«
Timoteo ärgerte sich, dass sein sturzbetrunkener Freund etwas verstand, das sich ihm selbst bei aller Nüchternheit nicht auf Anhieb erschloss.
»Was meinst du damit?«, wollte er von William wissen.
»Sie muss heiraten«, sagte William. »Irgendwen, sobald wie möglich.«
Jetzt begriff Timoteo es auch. Fassungslos blickte er über Galeazzos wackelnden Kopf hinweg zu William hinüber. »Du denkst, sie erwartet ein Kind?«
»Das vermute ich sehr stark.«
»Und weil der Vater nicht als Ehemann zur Verfügung steht, komme ich gerade recht als Notnagel?«
William nickte ernst, und Galeazzo tat es ihm gleich, wenngleich mit weinselig geschlossenen Augen.
Brennende Wut schoss in Timoteo hoch. In seinem reflexartigen Drang, irgendwo einen harten Tritt anzubringen, hätte er Galeazzo fast losgelassen.
»Oh-oh.« Galeazzo linste von der Seite zu ihm hoch. »Da ist aber jemand b-böse!«
»Was willst du jetzt tun?«, fragte William besorgt.
Diese Frage konnte Timoteo nicht beantworten.
Er war in seinem ganzen Leben noch nicht so wütend gewesen. Nicht einmal damals, als er wegen des schmutzigen, betrunkenen Feldschers fast sein Bein verloren hätte. Und auch nicht
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