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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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während der letzten Schlägerei mit den Bertolucci.
    Nichts konnte diesem Zorn gleichkommen, den er jetzt empfand. Nachdem er Galeazzo und William zum Hospiz begleitet hatte, machte er sich auf den Heimweg. Obwohl er am liebsten gerannt wäre, zwang er sich, langsam zu gehen, um sein Bein nicht zu überanstrengen. Bei aller Wut fühlte er sich noch obendrein hilflos, fast wie ein kleiner Junge, der grundlos verprügelt worden war. Ihm war so erbärmlich zumute, dass er fast geweint hätte.
    Doch seine Wut war stärker.
    Er war froh, dass niemand mehr wach war, als er daheim ankam. Im Haus war alles still, und so schlich er unbemerkt die Treppe hinauf in seine Kammer. Mit abgehackten Bewegungen zog er sich aus und legte sich ins Bett. Der Mond füllte sein Zimmer mit geisterhaftem Licht. Die Läden standen offen, doch er hatte nicht die Kraft, wieder aufzustehen und sie zu schließen. Er wusste, dass er sowieso nicht schlafen würde. Wie gelähmt lag er da und starrte an die Decke, bis der Morgen graute.
    Irgendwann musste er doch noch eingeschlafen sein, denn als er das nächste Mal aufwachte, stand die Sonne hoch am Himmel. Es war Sonntag; er hatte weder das Glockenläuten gehört noch die üblichen Geräusche im Haus, von denen er für gewöhnlich schon recht früh wach wurde. Die anderen waren zur Kirche gegangen, auch das Gesinde.
    Er selbst würde zur Spätmesse gehen, so wie immer, wenn er die Morgenmesse versäumte. Vielleicht sollte er vorher noch beichten, denn sein wilder Zorn hatte sich während des Schlafs in gottlose Rachsucht verwandelt. Dass diese sich gegen eine Frau richtete, verschlimmerte es noch. Doch da er wusste, dass weder Beichte noch Buße das Gefühl zum Verschwinden bringen würden, beschloss er, mit dem Beichten so lange zu warten, bis sich die ganze Angelegenheit erledigt hatte.
    Und das würde sie, so oder so.
    Es traf sich gut, dass außer ihm niemand im Haus war. So konnte er in aller Ruhe eine Nachricht verfassen. Er musste dreimal neu ansetzen, weil seine Hand mit der Feder zitterte und die Tinte verschmierte. Als es endlich halbwegs ordentlich geraten war, streute er Löschsand über die Zeilen, faltete die Botschaft sorgfältig zusammen, verschloss sie mit Siegelwachs und übergab sie am Mittag dem Sohn des Nachbarn, der schon mehrmals vertrauliche Nachrichten für ihn überbracht hatte.
    »Soll ich auf Antwort warten?«, fragte der Botenjunge.
    »Nein. Ich brauche keine Antwort.«
    Celestina ahnte nichts Gutes, als Morosina ihr nach dem Mittagsschlaf eine versiegelte Botschaft aufs Zimmer brachte. Sie riss sie auf und fand ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt.
    Um Mitternacht beim Oleander. Komm allein. Erscheinst Du nicht, wird Dein Bruder es büßen.
    Celestina starrte den Text an. Nicht nur die Worte, sondern auch die Schrift ließ erkennen, dass der Verfasser sich kaum hatte beherrschen können. Die Buchstaben waren scharf geneigt und verzerrt, man spürte förmlich die zwischen den Zeilen schwelende Wut.
    An der Drohung selbst gab es nichts zu deuten. Sie tat zweifellos gut daran, seinem Befehl zu folgen. Wenn sie nicht kam, würde er sie denunzieren.
    Den Grund des Schreibens konnte sie nur erraten. Fraglos hing es mit dem Treffen von letzter Nacht zusammen, zu dem sie ihn beordert hatte. Den genauen Hergang kannte sie allerdings nicht. Sie hatte lediglich mitbekommen, wie Chiara und Morosina in aller Heimlichkeit das Haus verlassen hatten. Vom Fenster aus hatte sie die beiden beobachtet und dabei mit sich gerungen, ihren Vorsatz umzustoßen und ihrer Cousine hinterherzuschleichen.
    Doch noch während sie aus dem Fenster auf die Gasse hinausblickte, trat Gentile ins Freie und folgte den Frauen in sicherer Entfernung. Damit war ihr die Entscheidung abgenommen, sie blieb, wo sie war.
    An Schlafen war jedoch nicht zu denken; folglich zog sie sich einen Schemel ans angelehnte Fenster und wartete. Nach etwa einer Stunde kehrten sie zurück, alle drei gemeinsam. Im schwachen Schein der Laterne waren ihre Gesichter nicht zu erkennen, folglich blieb Celestina nichts anderes übrig, als sich bis zum nächsten Morgen zu gedulden.
    Beim Kirchgang hatte Gentile unzufrieden gewirkt, und Chiara war gar nicht erst aufgetaucht, es hieß, sie müsse wegen Schwindelgefühlen das Bett hüten. In einem ruhigen Moment hatte Celestina Morosina zur Seite genommen. Die Magd wollte zuerst nichts von einem nächtlichen Ausflug wissen, rückte aber dann damit heraus, dass Madonna Chiara in der

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