Das Mädchen aus Mantua
sie wütend an ihm vorbeigehen wollte, doch er hielt sie abermals fest. »Es tut mir leid«, sagte er. »Das war nicht so gemeint. Du kannst nichts dafür.«
»Guido, ich verspreche dir, dass ich mein Möglichstes für deine Mutter tue!« Dann verstummte sie, weil sie spürte, wie unzureichend ihre Worte waren. Guido hatte recht. Hätte sie wirklich alles in ihrer Macht Stehende versucht, wäre Marta vielleicht nicht diesem merkwürdigen Siechtum anheimgefallen.
Unvermittelt beschloss sie, Lodovicos Machenschaften endlich auf den Grund zu gehen. Falls er seine Frau vergiftete, auf welche Weise auch immer, würde sie es herausfinden.
Versöhnlich legte sie Guido die Hand auf die Schulter. »Komm, ich begleite dich auf dein Zimmer. Am besten legst du dich hin und schläfst ein paar Stunden. Und dann solltest du es für eine Weile etwas ruhiger angehen lassen.«
Er stieß ihre Hand weg. »Mein Lebenswandel geht dich nichts an. So wie ich dir ja auch in deinen nicht dreinrede.« Sein Blick wurde berechnend. »Ich brauche Geld.«
»Wofür?«
»Für Stiefel und neue Sporen, außerdem fehlen mir Handschuhe, Barett und Mantel.«
»Du hast dich doch erst vor ein paar Wochen neu eingekleidet!«
»Tja, irgendwie halten meine Sachen nicht so lange.« Er machte sich gar nicht erst die Mühe, den angeblichen Verschleiß zu begründen, und ihr war klar, dass er das Geld nicht für Kleidung, sondern fürs Glücksspiel benötigte. Arcangela hatte es sowohl von Vitale als auch von Galeazzo gehört, angeblich pfiffen es die Spatzen schon von den Dächern.
»Ich werde sehen, was ich tun kann«, log Celestina. Sie hatte keineswegs vor, aus ihrer kranken Tante weiteres Geld für die Eskapaden ihres leichtsinnigen Sohns herauszuholen. Stattdessen würde sie eine Möglichkeit finden, seiner Erpressung auf andere Weise Herr zu werden, und sei es, indem sie sich seine Geheimnisse zunutze machte.
Abrupt wechselte Guido erneut das Thema. »Was ist aus der Sache mit Timoteo Caliari geworden?«
Sie erschrak. »Was?«, stammelte sie.
»Er soll doch meine Schwester heiraten, oder nicht?«
»Oh, daraus wird vorerst nichts«, erklärte Celestina, ihre Erleichterung darüber verbergend, dass er nicht das meinte, was sie zuerst befürchtet hatte. »Aber bevor du deswegen neue Mordpläne schmiedest, solltest du erfahren, dass Timoteo Caliari deine Schwester nicht vergewaltigt hat.«
»Tatsächlich«, sagte Guido. Seine Stimme klang undeutlich, und er hielt sich am Geländer fest, als bereite es ihm Schwierigkeiten, sich aufrecht zu halten. Widerstreitende Emotionen verzerrten sein Gesicht. Wut wechselte mit Resignation, dann beherrschte Kummer seine Miene. »Nun, ich wusste es schon vorher.«
»Woher?«, fragte Celestina überrascht.
»Ich weiß es eben. So wie ich auch weiß, dass Timoteo nicht der Vater ist.« Ein Schluchzen mischte sich in seine Stimme. »Giovanni ist es. Der Maler.«
»Dein Freund Giovanni? Er ist der Maler? Und er ist auch der Vater von Chiaras Kind? Bist du sicher?«
Guidos Kopf fuhr hoch. Hass entstellte sein Gesicht. Er packte Celestina bei den Aufschlägen ihres Umhangs und zog den Stoff so fest zusammen, dass es ihr die Kehle zudrückte. »Wenn du ein Wort darüber verlierst, bringe ich dich um, ist das klar?«
Seine gezischten Worte trafen aus unmittelbarer Nähe ihr Ohr, zusammen mit ein paar Speicheltropfen. Dann stieß er sie so heftig von sich, dass sie taumelte und um ein Haar die Treppe hinabfiel. Sie konnte sich gerade noch am Geländer festhalten. Erschrocken blickte sie ihm hinterher, während er die Treppe hinaufstapfte und dann schlingernd den Flur entlangging.
Soeben war ihr einiges klar geworden. Guidos Verzweiflung hatte mit enttäuschter Liebe zu tun, und im Lichte dieser Erkenntnis war auch nachzuvollziehen, warum Lodovico seinem Sohn mit so viel Abneigung begegnete. Er musste ahnen, dass Guido Neigungen hegte, die gemeinhin als widernatürlich galten und mit Strafe bedroht waren. Handelte es sich nur um eine heimliche, unglückliche Liebe, oder lebte Guido diese Neigungen aus?
Beunruhigt setzte sie ihren Weg fort. Guido tat ihr leid, ebenso Chiara. Das arme Mädchen! Ob sie von Guidos Hinwendung zu Giovanni wusste?
Celestinas Gedanken drehten sich im Kreis. Die eine Frage warf sogleich die nächste auf, auf diese Weise würde sie nicht dahinterkommen, was sich abgespielt hatte. Es war gut möglich, dass das ganze Drama allein in Guidos Gedanken stattfand, und sie der einzige Mensch war,
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