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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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auf eine ehrenvolle Verbindung?
    Dann war von der Haustür her das Geräusch eines sich drehenden Schlüssels zu hören. Als die Tür aufging, geriet sie doch noch ins Stolpern, denn draußen stand Timoteo.
    Er starrte sie an, unfähig, auch nur einen Ton zu sagen. Bevor er den Schreck verwunden hatte, war sie auch schon davongestürzt, mit flatterndem Umhang und wehenden Locken, ein hastig hervorgestoßenes Lebt wohl auf den Lippen. In der Eile hatte sie nicht einmal die Kapuze übergezogen. Gleich darauf verschwand sie in der benachbarten Gasse, nur das Klappern ihrer Schuhsohlen war noch für einige Augenblicke zu hören. Dann war auch das verstummt, und es war so, als wäre sie nie hier gewesen und als hätte er sich alles nur eingebildet.
    Sein Vater, der noch in der Kutsche saß, rief ärgerlich: »Was ist los? Wo bleibt mein Rollstuhl?«
    Hieronimo war bereits dabei, ihn zu holen.
    »Was war das für eine Weibsperson?«, wollte Alberto wissen, als seine Söhne ihm vom Wagen halfen und ihn in den Rollstuhl hoben.
    »Die junge Witwe, die bei den Bertolucci wohnt«, sagte Hieronimo.
    Alberto erstarrte. »Was hat eine Bertolucci in unserem Haus verloren?«
    »Das musst du Tante Brodata fragen«, sagte Hieronimo.
    »Warum?«
    »Offenbar hat sie die junge Frau herbestellt.«
    »Und zu welchem Zweck?«
    Hieronimo zuckte die Achseln. »Ich habe keine Ahnung. Vielleicht hat sie gesundheitliche Probleme.«
    »Wer? Brodata? Was hat diese Witwe mit Brodatas gesundheitlichen Problemen zu tun?«
    »Es heißt, sie sei bewandert in der Heilkunde.«
    »Brodata soll zu einem ordentlichen Medicus gehen«, schnappte Alberto. »Wo ist sie überhaupt?«
    »Sie wollte zu einer Besorgung weg.«
    Albertos Stirn umwölkte sich. Timoteo ahnte, was in seinem Vater vorging. Brodatas Besorgungen fanden oft zu den ungewöhnlichsten Zeiten statt, nicht selten sogar in den Nachtstunden. Das Wetter spielte dabei keine Rolle; sie kam und ging, wie es ihr passte, auch wenn es, so wie jetzt, in Strömen regnete. Timoteo war ihr einige Male gefolgt, nachdem sein Vater ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, doch sie war ihm jedes Mal entwischt. Einmal war er ihr so hartnäckig auf den Fersen geblieben, dass sie sich schließlich in den Laden einer Putzmacherin geflüchtet hatte. Keine Frage, dass sie ihn bemerkt hatte. Er hatte eine Stunde vor dem Haus gewartet und war dann unverrichteter Dinge wieder abgezogen.
    Später hatte er erwogen, sie rundheraus zu fragen, wo sie sich herumtrieb, doch sie hätte ihm nur auf ihre herrische Art erklärt, dass ihn das nichts anginge. Vielleicht hätte sie sogar hinzugefügt, dass sie sich ja auch nicht in seine nächtlichen Ausflüge einmischte.
    »Was hat sie gesagt?«, wollte er von seinem Bruder wissen, nachdem sie ihren übellaunigen Vater in die Schlafkammer verfrachtet hatten.
    »Wer, Tante Brodata?«
    »Nein, das Mädchen aus Mantua. Die Witwe.«
    »Nicht viel. Wir haben Wein zusammen getrunken, dann ist sie wieder aufgebrochen, weil sie keine Zeit hatte, auf Tante Brodata zu warten.« Hieronimo blickte seinen Bruder nachdenklich an. »Auf den ersten Blick ist Celestina recht unscheinbar, oder? Aber ich finde, wenn man sie näher kennenlernt, erschließen sich einem neue Sichtweisen.«
    Timoteo spürte eine Hitzwelle in sich aufsteigen. In ihm paarte sich hilflose Wut mit einem anderen Gefühl, das er nicht sofort einordnen konnte. Erst als er im Kaminzimmer die beiden leeren Weinbecher nebeneinander auf dem Tisch stehen sah, erkannte er, was ihn umtrieb. Es war blinde, unbezähmbare Eifersucht.

Die darauffolgende Nacht
    Es war dunkel draußen, und der Wind pfiff um die Häuser. Der Regen hatte seit dem frühen Abend nachgelassen und schließlich ganz aufgehört. Der Zeiger der kleinen Standuhr auf dem Kaminsims näherte sich Mitternacht, es war Zeit aufzubrechen. Brodata mochte es nicht, wenn er zu spät kam, so wie sie überhaupt manches an ihm nicht mochte. Doch sie musste ihn wohl oder übel so nehmen, wie er war, und sie tat es, wenn auch grollend.
    Manchmal dachte er darüber nach, ob er sich ihr zuliebe ändern könnte, wenn er es nur richtig wollte. Ob er sein Leben ihretwegen auf den Kopf stellen würde. Alles hinter sich lassen , so hatte sie es einmal ausgedrückt. In letzter Zeit fragte er sich öfter, ob er es fertigbringen würde, alle Brücken hinter sich abzubrechen, die Annehmlichkeiten, die das Leben ihm bot, einfach aufzugeben. Fortzugehen, irgendwohin, ohne zu wissen, was der nächste

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