Das Mädchen aus Mantua
Muster?«
»Vielleicht hat er sich im Spital umgehört und wusste daher, dass diese Leute nicht von hier waren und außerdem krank und mittellos genug, um am Leben zu verzweifeln.«
»Dann musste nach ihrer Entlassung nur noch eine passende Gelegenheit gefunden werden, ihnen Gift zu verabreichen und es wie Selbstmord aussehen zu lassen«, sagte Timoteo.
»Oder sie zu erdrosseln und es wie Selbstmord aussehen zu lassen«, ergänzte Celestina mit Blick zur oberen Loggia.
Timoteo zögerte, dann gab er nach. »Na gut. Du lässt es dir ja ohnehin nicht ausreden, ich merke es schon. Wir sehen uns diesen toten Wanderarzt genauer an. Aber nur unter der Prämisse, dass du keinen Schritt ohne mich tust.«
Sie lächelte. »Du und deine Prämissen.«
Sie wollten gerade wieder ins Teatro zurückgehen, um die Fortsetzung der Vorführung nicht zu versäumen, als eine barsche Stimme sie innehalten ließ.
»Halt! Stehen bleiben!«
Celestina fuhr erschrocken herum. Der Pedell kam auf sie zugeeilt. Der Blick seiner Glubschaugen heftete sich auf sie, als wolle er sie festnageln.
Er hat mich durchschaut, durchfuhr es sie. Schwäche ließ ihre Knie wackeln, und es half auch nichts, dass Timoteo sich schützend vor sie schob.
»Aus dem Weg«, sagte der Pedell ärgerlich. »Ich habe mit diesem Burschen da zu reden.«
Timoteo dachte gar nicht daran, beiseite zu treten. Die Hand am Griff seines Dolchs, blieb er stehen, wo er war. »Was ist Euer Begehr?«, fragte er den Pedell drohend.
Dieser wich irritiert einen Schritt zurück. »Ich sagte doch, ich muss mit dem jungen Marino da Rapallo reden.« Er spähte über Timoteos Schulter, bis er Celestina im Blick hatte. »So lautet doch Euer Name, oder?«
Sie nickte zögernd.
Der Pedell warf einen argwöhnischen Blick auf Timoteo, dann ging er vorsichtig um ihn herum und reichte Celestina ein Dokument. »Da. Das ist für Euch. Ihr hättet es längst abholen sollen.« Seine Miene wurde anklagend. »Ihr habt gesagt , dass Ihr es abholt. Aber Ihr tatet es nicht.«
Verständnislos betrachtete sie das Dokument. Es war der Scholarbrief, der sie als ordentlichen, an der Universität zu Padua eingeschriebenen Studenten der Medizin auswies.
Ihr Lächeln fiel etwas zittrig aus. »Oh! Das hatte ich tatsächlich ganz vergessen.«
»Das spricht nicht unbedingt für Eure Sorgfalt und Euer Gedächtnis.« Der Pedell musterte sie grollend. Inzwischen hatte er freie Sicht auf sie, denn Timoteo war zur Seite getreten, da er nun davon ausgehen konnte, dass ihr keine unmittelbare Gefahr drohte.
»Es tut mir leid«, sagte Celestina, der es in Wahrheit herzlich egal war. Ihre Studententage waren ohnehin bald gezählt, ihre hochfahrenden Träume zerstoben.
»Ich habe eine gute Nachricht für Euch«, sagte der Pedell. Seine Missbilligung hatte sich gelegt. »Euer Stipendium ist bewilligt worden.«
»Was?«, entfuhr es Celestina.
Ihre Fassungslosigkeit schien den Pedell zu freuen. Er nickte eifrig. »Ja, der Bescheid kam in den Ferien. Ihr müsst noch in Venedig vor einen Ausschuss treten und Eure Förderungswürdigkeit unter Beweis stellen, doch das ist eine reine Formsache. Dabei ist noch niemand durchgefallen. Jedenfalls nicht, solange ich hier meines Amtes walte.« Wohlwollend musterte er sie. Von seiner Verstimmung war nichts mehr zu spüren. Er war sichtlich angetan davon, sie stumm und überwältigt dastehen zu sehen. Solche Neuigkeiten hatte er vermutlich selten zu überbringen. Celestina klappte den Mund wieder zu, der ihr die ganze Zeit vor Überraschung offen gestanden hatte.
»Das ist … das ist unglaublich«, brachte sie stammelnd heraus.
Der Pedell nickte aufgeräumt. »Ja, nicht wahr? Kommt später in mein Kontor, dann kann ich Euch die nötigen Unterlagen überreichen und Euch Verhaltensregeln mit auf den Weg geben, mit denen ihr für die Befragung durch die Kommission gut gerüstet seid.«
»Ich … ja, gewiss. Vielen Dank.«
»Dann bis später, junger Mann.« Beschwingten Schritts eilte der Pedell davon. Konsterniert blickte Celestina ihm nach.
»Damit hattest du wohl nicht gerechnet, oder?«, fragte Timoteo.
Celestina schüttelte den Kopf. »Ganz bestimmt nicht.«
»Wenn deine Mutter nicht käme, wäre es für dich die Gelegenheit, dein Ziel zu verwirklichen.«
»Sie kommt aber. Kein Erdbeben und kein Orkan könnte sie aufhalten. Glaub mir, ich habe mir schon so oft und so lange den Kopf zerbrochen, dass mir das Denkvermögen abhandenkam. Aber mir fiel nichts ein. Sie kommt
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