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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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mit seinem Geld und der gesamten Habe verschwunden war.«
    Und nun war er tot.
    Wenigstens nicht durch Gift, fuhr es Celestina durch den Kopf. Der glatt rasierte Schädel des Leichnams glänzte bläulich im Kerzenlicht. Der magere Körper war von Totenflecken übersät, die übrige Haut so bleich wie schimmliger Käse. Der Mund stand offen und ließ die zahnlose Kieferleiste sehen, die Nase stand spitz darüber ab. Rund um den Hals zog sich wie eine schwarze Schlange das dunkle Strangulationsmal.
    Celestina reckte sich, um nichts zu verpassen. Die Sektion begann diesmal mit der Eröffnung des Brustkorbs. Der Prosektor führte die Vorarbeiten aus, während der Professor daneben stand und jeden Arbeitsschritt erläuterte. Gianbattista legte mit großen Schnitten durch Haut und Gewebe die Knochen frei und brachte anschließend die Säge zur Anwendung, um das Brustbein zu zerteilen. Das scheußliche Geräusch der dabei aufreißenden Knochen erfüllte das weite Rund des Teatro. Eine der Frauen schrie unterdrückt auf. Gianbattista fuhr ungerührt mit der Arbeit fort. Er griff nach einem Spreizeisen und drückte die Rippen auseinander, bis sie unter dem rüden Zugriff zur Seite gebogen wurden. Wie die Gräten eines großen, gestrandeten Fischs standen sie auseinander und gaben den Blick auf das dunkelrote Gewebe von Herz und Lungen frei.
    Der Professor machte nun eigenhändig mit der Sektion weiter. Er ließ sich ein Skalpell reichen und präparierte das Herz heraus, mit bedächtigen und doch zielsicheren Bewegungen, die er mit gleichmäßiger, lauter Stimme kommentierte. Er ließ das Organ mitsamt den daran hängenden Gefäßen von Gianbattista hochhalten und erklärte, auf welchem Wege die einzelnen Adern ins Herz hinein- und wieder hinausführten und welchen Zweck sie verfolgten. Celestina hörte nicht ohne Genugtuung, dass er sich, als er über die Herzklappen sprach, nicht streng an die von Galenus aufgestellten Thesen zur Bluterneuerung hielt, sondern einen Deutungsspielraum zuließ, innerhalb dessen auch die von William Harvey angestellten Überlegungen Platz hätten finden können. Allem Anschein nach stand er der Meinung des jungen Engländers höchst aufgeschlossen gegenüber.
    Dunkle Flüssigkeit tropfte von dem Organ, als Gianbattista es schließlich dem Gehilfen weiterreichte, der es in einer eigens dafür vorgesehenen Schale ablegte. Später würde William sich noch damit befassen dürfen, und Celestina hoffte, dass sie Gelegenheit bekam, dabei zuzusehen.
    Professor Fabrizio machte weiter mit der Präparation, als Nächstes demonstrierte er die Lungen. In morbider Neugierde beugten sich die externen Besucher über die Brüstung, um sich nichts von dem ungewöhnlichen Anblick entgehen zu lassen.
    Die Studenten, überwiegend auf den oberen Rängen versammelt, bekamen naturgemäß weniger von der Sektion mit, doch sie würden dafür an den nächsten Tagen zum Zuge kommen, denn wenn der Körper erst in Verwesung überging, war dieses Spektakel für Nichtmediziner weit weniger interessant.
    Der Professor befahl Gianbattista, die Bauchhöhle zu öffnen. Ein klaffender Schnitt trennte alsbald Haut, Fett und Muskeln und legte die Innereien frei. Gianbattista räumte geschäftig einige Darmschlingen zur Seite. Eine der anwesenden Damen fiel bei dem Anblick publikumswirksam in Ohnmacht, was einen kleinen Tumult auf den Rängen zur Folge hatte.
    Celestina, von der Sektion abgelenkt, schaute zu der Frau hinüber – und ihre Blicke trafen sich mit denen von Vitale. Sie hielt erschrocken die Luft an, doch er zeigte keine Anzeichen von Überraschung. Aber noch während sie ihn anschaute, hob er die Hand und winkte ihr zu. Und nicht nur das – sein Winken signalisierte zweifelsfrei, dass sie zu ihm kommen solle.
    Timoteo hatte es auch gesehen. »Was will der Kerl von dir?«, fragte er sie leise.
    Sie zuckte die Achseln. »Ich kann es nur vermuten«, gab sie ebenso leise zurück. »Es hängt mit den Anatomieleichen zusammen. Das hat mir Arcangela eingebrockt. Oder ich mir selber, je nach Betrachtungsweise.«
    »Warte.« Er fasste sie bei der Schulter und hielt sie zurück, als sie sich in Richtung Treppe wandte. »Was soll das heißen?«
    Ein Blick auf den von unten zur ihr heraufschauenden Vitale zeigte ihr, dass er ungeduldig wurde.
    »Ich erkläre es dir später.« Sie drängte sich an William und dann an dem neben ihm stehenden Galeazzo vorbei.
    »Vernahm ich da gerade den Namen Arcangela aus deinem Mund?«, fragte

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