Das Mädchen aus Mantua
der gern Gedichte schrieb oder Balladen sang oder in einem fort blumige Komplimente ersann. Kurz, wie jemand, der ein argloses junges Mädchen nachhaltig betören konnte. Beispielsweise ein Mädchen wie Chiara. Und dazu hatte der Kerl den Vorteil, mit ihr unter einem Dach zu leben, die Mahlzeiten mit ihr einzunehmen und auch sonst andauernd um sie herumscharwenzeln zu können.
Timoteo krampfte die Hände um die Balustrade, bis er das Holz unter seinen Fingern knacken hörte.
Eine Woche später
Celestina schob die Falten von Tante Martas Gewand beiseite und beugte sich vor, um mehr sehen zu können. »Du musst lockerlassen«, sagte sie.
»Ich lasse doch locker!«, behauptete Marta, die Celestina ihre nackte Kehrseite zuwandte. »So locker ich kann!«
Sie blickte über die Schulter nach hinten, während sie sich an dem Lehnstuhl festhielt, damit sie sich besser bücken konnte. Ihr Gesicht war ebenso verkrampft wie ihr Hinterteil, sie rang um Fassung, war aber offensichtlich wild entschlossen, es durchzustehen. Celestina hatte ihr zwei Möglichkeiten für die Untersuchung zur Auswahl geboten, von vorn oder von hinten, und die Tante hatte sich für diese entschieden, weil es ihr eine Spur weniger unschicklich erschien.
»Nein, du lässt nicht locker. Du kneifst zusammen.«
»Aber ich versuche es doch! Es geht nur nicht!«
»Ich tu dir schon nicht weh. Ich will nur nachsehen. Ich gebe dir mein Wort, dass weiter nichts geschieht.« Celestina hielt inne, dann fuhr sie entschlossen fort: »Wenn es dir unangenehm ist, müssen wir das nicht machen, weißt du.«
»Stell dich nicht so an, Marta!«, befahl die alte Immaculata. Sie stand neben dem Lehnstuhl und beobachtete alles genau.
Sofort lockerte Marta ihre Muskeln. Zwischen den hellen Hautfalten wurden bläulich-rote Schwellungen sichtbar.
»Sehr gut«, sagte Celestina. »Ich kann es sehen.« Vorsichtig untersuchte sie die Hämorrhoiden.
»Und?«, wollte Marta ängstlich wissen. »Sind sie sehr groß?«
»Ich habe schon größere gesehen«, sagte Celestina.
»Meine sind drei Mal so groß«, behauptete Immaculata. »Und ich lebe immer noch. Ich blute auf dem Abtritt wie ein abgestochenes Schwein, aber hast du mich je jammern gehört?«
»Manche leiden mehr darunter als andere«, sagte Celestina diplomatisch.
Marta richtete sich auf und ordnete ihr Gewand. »Sie sind mir von der letzten Geburt geblieben. Das Kinderkriegen tut dem Körper einer Frau die grässlichsten Dinge an!«
»Ich werde eine Salbe besorgen.«
»Kann man sie nicht einfach wegschneiden oder ausbrennen?«
»Das ist sehr schmerzhaft. Und man hat keine Gewähr, dass es nicht wiederkommt. Außerdem bin ich nur eine Frau, mir ist nicht erlaubt, zu brennen oder zu schneiden.«
»Aber du bist die Witwe eines Chirurgen und weißt, wie es geht. Bestimmt hast du es schon selbst gemacht!«
Das konnte Celestina nicht abstreiten, ohne zu lügen, folglich verlegte sie sich auf ein anderes Argument, das ebenfalls der Wahrheit entsprach. »Ich finde, man kann hier noch abwarten, denn so groß sind sie nicht.«
Marta gab ein entrüstetes Prusten von sich. »Wie soll ich das denn noch länger aushalten?«
»Indem du es wie andere machst und es einfach erträgst«, sagte Immaculata mitleidlos.
Marta verlor die Fassung. »Der Herr will mich mit diesen Qualen strafen!«, rief sie. »Warum würde er mich sonst mit so vielen Gebrechen überhäufen? Er will mich dahinsiechen sehen!«
Das war nach Celestinas Dafürhalten stark übertrieben, ihre Tante würde an keiner ihrer Krankheiten sterben, doch es handelte sich keineswegs um eingebildete Leiden. Zusammengenommen waren all diese Bagatellen ohne Frage mehr als lästig. Etwa die dicken Warzen unter der rechten Fußsohle. Die eitrigen Pusteln in den Achseln und den Leisten. Der entzündete Zahn im Unterkiefer. Der Nabelbruch. Die chronische Verstopfung. Die Hämorrhoiden. Es war fast, als würde Marta Bertolucci alles an lästigen Leiden auf sich ziehen, was das Schicksal aufzubieten hatte. Zwar war mit Fug und Recht zu sagen, dass zehn harmlose Krankheiten weniger schlimm waren als eine einzige schwere, doch diese Einsicht bot Marta keinen Trost. Celestina konnte durchaus verstehen, warum die Tante so erpicht darauf gewesen war, ihre medizinisch vorgebildete Nichte zu sich zu holen, zumal sie einem richtigen Medicus ihre Beschwerden nur schildern, nicht aber deren Ursachen zeigen konnte.
Celestina hatte Marta innerlich bereits Abbitte geleistet. Einige
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