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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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gleichzeitig einen tiefen Atemzug. Dabei gewahrte sie, dass sich ihr Haar gelöst hatte. Hastig griff sie hinein und versuchte, es zu einem Knoten zu schlingen, doch das Band, mit dem es zusammengehalten worden war, lag wie ihre Haube auf dem Pflaster. Viel war davon nicht mehr übrig, die Pferdehufe hatten nur Fetzen hinterlassen.
    »Was ist hier los?« Der wütende Ausruf kam von Guido, der sich mit großen Schritten näherte. »Timoteo Caliari! Nimm deine schmutzigen Hände von meiner Cousine!« Er zwängte sich zwischen den Umstehenden hindurch, die Hand am Griff seines Degens.
    Timoteo setzte zu einer Erklärung an, doch andere kamen ihm zuvor. Von allen Seiten erhob sich lautstarker Protest. Jeder, der den Zwischenfall beobachtet hatte – und das mussten Dutzende sein – schien davon Zeugnis ablegen zu wollen.
    »… noch nie so eine mutige Tat gesehen!«
    »… hat sie im letzten Moment gerettet!«
    »… anderenfalls von den Hufen zertrampelt worden!«
    »… unglaublich schnell, und das mit dem lahmen Bein!«
    »… dieses dumme Weib stand da wie angenagelt …«
    Guido blickte sich irritiert um, bis er begriff, was sich abgespielt hatte.
    »Celestina? Alles in Ordnung?«
    »Ja, es geht mir gut. Nimm bitte die Hand vom Degen.«
    Steif trat er auf seine Cousine zu und legte schützend die Arme um sie. »Komm. Ich bringe dich von hier fort.«
    Verdutzt sah Timoteo, wie sie im Schutze der Umarmung ihres Cousins an dessen Gürtel griff, das dort befestigte Mundtuch herauszupfte und sich damit flink das Haar im Nacken zusammenband. Ihm fiel ein, dass sie verwitwet war, da kam es wohl nicht infrage, dass sie ihr Haar offen herabfallen ließ.
    Sie hob den Blick und sah ihm direkt in die Augen, was ein eigenartiges Ziehen in seiner Magengrube auslöste.
    Sie lächelte ein wenig zittrig. »Ihr habt mir das Leben gerettet. Ich danke Euch vielmals.«
    Timoteo wollte ihr möglichst geistreich antworten, beispielsweise, dass er nur Gleiches mit Gleichem vergolten habe, schließlich habe sie ihn ja auch schon einmal niedergestreckt.  
    Doch Guido zog sie bereits vom Ort des Geschehens fort. Die Schaulustigen bildeten eine Gasse, in der sie wenige Augenblicke später verschwunden waren.
    »Das war mutig, mein Freund«, sagte Galeazzo.
    »Und leichtsinnig«, befand William. »Sieh nur, wie er hinkt.«
    Galeazzo hatte sich einen kleinen Becher Schnaps gekauft und rieb sich die Hände damit ab. Probeweise schnüffelte er erneut daran. »Schon besser. Wie besoffener toter Hund, aber deutlich besser.« Er warf einen Blick auf Timoteos Bein. »Tut es sehr weh?«
    Das tat es, aber merkwürdigerweise störte Timoteo sich nicht sonderlich daran. Er ging zu einem der Marktstände und kaufte einen gebratenen Hering und dazu ein kleines Brot. Beides teilte er mit seinen Kommilitonen, und während sie im Stehen den Imbiss verzehrten, dachte er über das Mädchen aus Mantua nach. Bei sich nannte er sie immer noch so, obwohl die Bezeichnung auf eine Witwe wohl kaum passte.
    Es war nicht leicht, sich vorzustellen, dass sie bereits einen Ehemann gehabt hatte. Vorhin, als er sie aus nächster Nähe betrachtet hatte, war sie ihm sehr jung vorgekommen.
    »Jetzt haben die Bertolucci Grund, sich zu ärgern«, sagte Galeazzo. »Wahrscheinlich noch mehr als sonst. Ein Caliari rettet eine der ihren vor dem sicheren Tod! Weil dieser dumme Jungspund Guido sich sonst wo herumgetrieben hat, statt auf sie aufzupassen. Genau wie bei der schönen Chiara.«
    Inzwischen wusste Timoteo, warum er Chiara nicht mehr unter dem Torbogen getroffen hatte. Galeazzo hatte ihm erzählt – der Himmel allein wusste, wie er dergleichen immer herausfand –, dass die Porträtsitzungen bei dem Maler auf die Vormittage verlegt worden waren. Genau zu der Zeit, in der er Vorlesung hatte.
    »Sie geht dir aus dem Weg«, hatte Galeazzo gemeint. Und dann lachend so getan, als müsse er einem Schlag von Timoteo ausweichen, obwohl dieser nur reglos dastand.
    »Wisst ihr, was ich sehr eigenartig an der Frau fand?«, fragte William.
    »Nein, aber du wirst es uns sicher sofort berichten«, meinte Galeazzo gutmütig. Er hatte ihre Trinkbecher an einem der Stände mit Bier füllen lassen und balancierte sie vorsichtig in den Händen.
    William nahm seinen Becher entgegen und trank einen Schluck. »Wie sie so dort stand und starrte.«
    »Für Frauen ist es manchmal das höchste Vergnügen, in der Gegend herumzustarren«, sagte Galeazzo. »Das kommt daher, dass sie

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