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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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permanent von unheilbarer Neugierde getrieben sind.« Er schlürfte geräuschvoll von seinem Bier. »Ah, das tut gut bei der Hitze.«
    »Sie hat Il Bo angestarrt«, sagte William. »Sie war völlig versunken in den Anblick.«
    Timoteo war überrascht, dass William das bemerkt hatte. Doch im Grunde war es nicht verwunderlich, denn der Engländer hatte eine weit schärfere Beobachtungsgabe als die meisten anderen Menschen, die er kannte.
    Die Glocken schlugen zur vollen Stunde.
    »Ende der Pause«, sagte Galeazzo. Er trank den Becher leer und verstaute ihn am Gürtel.
    Gemeinsam traten sie den Rückweg zur Universität an.
    »Dieses Spalier könnte eine bessere Befestigung vertragen«, sagte Lodovico Bertolucci. Er rüttelte an dem Holz. »Es scheint mir über den Winter ein wenig locker geworden zu sein. Ich werde ein paar zusätzliche Eisenkrampen in die Mauer schlagen.« Prüfend zupfte er an den Ranken, die sich an dem Holz nach oben wanden. »Dafür blühen die Rosen dieses Jahr hervorragend. Willst du mal riechen?«
    Celestina, die sich kurz zuvor zu ihm gesellt hatte, beugte sich vor und schnupperte an einer der vollblättrigen rosa Blüten. »Wundervoll, wirklich. Der Duft ist fast betäubend.«
    »Sogar nachts«, sagte Lodovico. »Du solltest einmal bei offenem Fenster schlafen!«
    Celestina merkte, wie sie errötete. »Oh, ja, sicher.«
    Ihr Onkel bekam es nicht mit, er war vertieft in das Betrachten der Rosen. »Merkwürdig. Hier ist eine Ranke gebrochen. Und alle sind zur Seite gerutscht. Hm, ob das von dem lockeren Spalier kommt? Oder von einer dieser vermaledeiten Katzen, die sich hier bei Nacht oft herumtreiben?« Liebevoll wand er die losen Zweige um das Spalier und befestigte sie mit Stoffstreifen. Celestina betrachtete es mit Unbehagen.
    Anschließend machte er sich daran, das Blumenbeet nach Unkraut abzusuchen. Tuberosen, Löwenmäulchen, Hyazinthen und Ringelblumen gaben sich dort ein vielfarbiges Stelldichein, ein prächtiger Anblick.
    »Weißt du, viele halten mich für einen verrückten Sonderling, weil ich im Garten arbeite und gern Pflanzen hege und pflege.« Lodovico kroch zwischen den Stauden umher, verschwitzt und rotgesichtig, die Ärmel seines verdreckten Hemdes hochgekrempelt. Das Wams hatte er ausgezogen und über einen der Büsche gehängt. »Ich habe mir sogar Bücher über Gartenpflanzen angeschafft. Eines stammt von einem Weltreisenden, der von den merkwürdigsten Pflanzen berichtet. Von exotischen Blumen, deren Blüten so groß sind wie ein Kopf. Von Farnen mit Wedeln, die höher ragen als ein Mann. Er hat Samen und Ableger vieler Gewächse mitgebracht und sich an diversen Züchtungen versucht. Einige davon hat er an den Orto Botanico 1 verkauft. Ich gehe manchmal hin und sehe sie mir an.« Sinnend blickte er in die Ferne, als würde dort keine Mauer stehen. »Oft stelle ich mir vor, selbst einmal in solche Gegenden zu reisen und die fremden Pflanzen zu betrachten. Und alles aufzuschreiben, was ich sehe.«
    »Ich finde, das ist ein ehrenwertes Vorhaben«, sagte Celestina. Das meinte sie völlig ehrlich. Seine Wünsche mochten abenteuerlich sein, aber sie bewegten sich – ganz im Gegensatz zu den ihren – im Rahmen der Legalität. »So wie ich auch sämtliche Gartenarbeit als sinnvoll und wichtig erachte. Das, was grünt und blüht, ist in vielfacher Hinsicht unverzichtbar für den Menschen. Denk nur, wie viel von unserer Nahrung aus dem stammt, was in der Natur wächst. Getreide, Obst, Gemüse. Und fast genauso wichtig sind all die Heilkräuter, ohne die es schlecht um unsere Gesundheit bestellt wäre.«
    Celestina suchte nach weiteren Worten, um die Bedeutung dessen hervorzuheben, dem er sich mit solcher Freude widmete, denn sie merkte, wie wichtig ihm die Anerkennung war. »Aber nicht nur die Nutzpflanzen, die uns ernähren oder heilen, sind von hohem Wert für die Menschen, sondern auch blühende Rosen oder Sträucher, die unser Auge erfreuen. Sie geben uns das, was den Menschen über das Tier hinaushebt. So wie ein Gemälde oder eine Skulptur Kunst sind, so gilt dasselbe für einen mit Bedacht und Augenmaß angelegten Blumengarten. Ein fähiger Maler ist ebenso ein Künstler wie ein fähiger Gärtner.«
    »Ist das deine ehrliche Meinung?« Ein Lächeln verwandelte seine aufgeschwemmten Züge, man bekam eine Vorstellung davon, wie ansehnlich er früher gewesen sein musste.
    »Ganz und gar ehrlich«, bekräftigte Celestina. Eigentlich war sie nur in den Garten gekommen, um

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