Das Mädchen aus Mantua
benutzt wurde.
Fasziniert betrachtete sie die sauber geordneten Gerätschaften. Zum Teil waren sie den Operationsbestecken, die Chirurgen für ihre Eingriffe am lebenden Menschen benutzten, sehr ähnlich, wenn auch etwas gröber in der Ausformung.
Hauptinstrument war das Messer, von dem es etliche in unterschiedlicher Ausführung und mehreren Größen gab, kleine für feinere Präparationsarbeiten, große für die weniger diffizilen Schnitte, darunter vor allem solche, wie bereits Vesalius sie geschätzt hatte, mit spitz zulaufender, geschweifter Klinge. Zum Halten und Aufspannen von Muskeln, Haut oder Bändergewebe gab es Zweizinkenhaken, Kornzangen und Pinzetten. Daneben sah Celestina Knochenmeißel, Hammer, Sägen, Scheren, Hohl- und Knopfsonden, klappbare Schermesser sowie ein Beil zum Spalten und Abtrennen von Knochen, außerdem Zwirn und Nadeln zum Vernähen von Haut sowie Schwämme und Schüsseln zum Auffangen von Körperflüssigkeiten.
Der Prosektor gesellte sich wieder zu ihnen und zündete eine Reihe von Fackeln an, um den Sektionsbereich auszuleuchten. Die Wände des Raums, innerhalb dessen das Anatomietheater errichtet worden war, wiesen zwar Fenster auf, jedoch waren diese geschwärzt, sodass von außen kein Lichtstrahl hereindrang und alle Vorführungen ausschließlich bei künstlicher Beleuchtung stattfanden.
Eine Schar teilweise noch recht verschlafen wirkender Studenten tauchte auf den Rängen des Teatro auf und lümmelte an den Balustraden. Celestina erkannte fast alle unter ihnen wieder, die meisten hatte sie bereits im Spital gesehen. Einige warfen ihr schräge Blicke zu, zwei oder drei winkten leutselig, waren aber sichtlich befremdet, als sie zurückwinkte, worauf ihr klar wurde, dass der Gruß nicht ihr galt, sondern William, der immer noch neben ihr stand. Mit gesenktem Kopf ging sie zu einer der Treppen und erklomm den umlaufenden Absatz des ersten Ranges. William schloss sich ihr an, und kurz darauf fanden sich auch Timoteo Caliari und Galeazzo da Ponte ein. Beide begrüßten den Engländer mit einem kräftigen Schulterklopfen. Auch Celestina wurde ein freundschaftlicher Schlag auf den Rücken zuteil, als Timoteo sich an ihr vorbeizwängte. Sie musste sich an der Balustrade festhalten, um nicht vornüberzufallen. Er grinste sie reumütig an. »Himmel, Marino, was für ein zartes Bürschchen du bist!«
»Ebenfalls einen guten Morgen«, sagte sie verdrossen.
»Der lässt bislang noch auf sich warten. Aber jetzt, da ich dich sehe, wird er sich bestimmt bald einstellen. Bis jetzt hast du es immer noch geschafft, mich zuverlässig zum Lachen zu bringen.«
»Und sei es, indem ich aus Freude über deine Art der Begrüßung einen Purzelbaum über das Geländer schlage.«
Er lachte. »Sag ich’s doch! Siehst du, jetzt lache ich! Ich muss sagen, es freut mich sehr, dass es mit deiner Immatrikulation so rasch geklappt hat!«
Sie musterte ihn heimlich von der Seite. Er trug eine schlichte Kappe, ähnlich wie die ihre, nur weniger voluminös. Sein Hemd mit dem schmalen Stehkragen war frisch und roch auch so, und sein Wams, der sommerlichen Wärme entsprechend aus dünnem Leinen geschneidert, war sauber gebügelt, ebenso wie die Beinkleider, die aus grobem Seidenstoff bestanden. Alles in allem war seine Aufmachung um einiges eleganter als ihre, aber keineswegs so, dass sie sich schäbig vorkommen musste.
Ihr Blick streifte sein Kinn. Er musste sich eben erst rasiert haben, es war ein Schnitt zu sehen, an dem die winzigen Blutstropfen noch nicht getrocknet waren.
Sie schalt sich eine alberne Gans, weil sie den schwachen Impuls spürte, diese kleine Blutspur wegzutupfen, und sie sagte sich, dass diese dumme Regung nur ihrem angeborenen Hilfsbedürfnis entstammte, keinesfalls aber dem Wunsch, ihn zu berühren.
Erleichtert wandte sie den Blick nach unten, wo soeben Professor Fabrizio die Schaufläche betrat.
Die Studenten begrüßten ihn mit einem respektvollen Salve, Magister .
»Salvete, Studentes«, antwortete dieser, bevor er, ebenfalls auf Lateinisch, unverzüglich mit der Anatomievorlesung begann, die wegen des Befehls vom Rektorat, das Schwein bis zum Nachmittag fortzuschaffen, auf die Demonstration der inneren Organe und großen Gefäße beschränkt bleiben würde.
Der Prosektor hatte das Schwein zum Sektionstisch gekarrt und die Instrumente bereitgelegt. Auf Geheiß des Professors drehte er das tote Tier mithilfe zweier Studenten auf den Rücken und öffnete unter Einsatz des
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