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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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dafür benutzt hatte. Grollend rieb er sich den Oberschenkel und fragte sich zum wiederholten Mal, wieso der unfassbare Betrug ihm nicht von Beginn an aufgefallen war.
    William spürte offenbar, was ihm zusetzte. »Die anderen haben es doch auch nicht bemerkt!«
    Galeazzo grinste. »Welche anderen?«
    »Jene, die sie in beiden Rollen sahen.«
    »Welche sollen das denn sein außer uns dreien?«
    »Guido Bertolucci.«
    »Der weiß Bescheid und hält den Mund«, sagte Galeazzo. »Sie hat ihn mit irgendwas in der Hand.«
    William dachte nach. »Der Mönch. Sie unterhielt sich mit ihm am Tage ihrer Ankunft. Als Celestina. Und vorgestern arbeitete sie im Spital. Als Marino.«
    Galeazzo hob ironisch die Brauen. »Und was sagt uns das?«
    Diesmal antwortete Timoteo. Sein Ärger war mittlerweile ins Grenzenlose gewachsen, und er musste sich zwingen, nicht erneut nach der Säule zu treten. Anscheinend war er der Einzige, der mit Blindheit geschlagen war. »Der Kerl ist natürlich ebenfalls eingeweiht. Er hat ihr geholfen, Zugang zur Universität zu finden.«
    »Oh«, sagte William. Bedenkenvoll wiegte er den Kopf. »Sie spielt ein gefährliches Spiel!«
    »Davon bin ich überzeugt«, stimmte Galeazzo ihm zu. »Zumal dieser Frater sie bestimmt nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit unterstützt. Was er wohl dafür von ihr haben will?«
    Dasselbe überlegte Timoteo auch gerade. Bei der nächsten Gelegenheit würde er sie danach fragen.
    »Und du?«, wollte Galeazzo wissen.
    »Was?«, fragte Timoteo irritiert zurück.
    »Was hast du von ihr verlangt? Ich wette, du hast dich nicht darauf beschränkt, ihr deine Entdeckung mitzuteilen, sondern für dein Schweigen einen Preis gefordert.« Grinsend wandte er sich an den Engländer. »Möchtest du dagegen setzen, Guglielmo? Eine halbe Krone?«
    William warf Timoteo einen vorsichtigen Blick zu und schüttelte peinlich berührt den Kopf. »Lieber nicht.«
    Timoteo merkte, wie er rot anlief. Er kam sich ausgesprochen idiotisch vor. Stumm presste er die Lippen zusammen. Lieber hätte er sich die Zunge abgebissen, als zuzugeben, dass Galeazzo richtig lag.
    »Wir sollten das Thema wechseln«, schlug William diplomatisch vor.
    Galeazzo konnte das Sticheln nicht lassen. »Ich setze eine halbe Krone, dass sein Preis mit der bezaubernden Chiara zusammenhängt.«
    Das war zu viel. Brüsk wandte sich Timoteo ab und stolzierte mit Riesenschritten davon.

Am Nachmittag desselben Tages
    »Ihr seht besorgt aus«, meinte Frater Silvano, als Celestina aus dem Archiv des Spitals kam. Er hatte auf dem Gang auf sie gewartet, während sie sich umkleidete. »Gab es Schwierigkeiten?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, alles bestens.«
    Warum sollte sie ihn beunruhigen? Die Sache mit Timoteo würde sie schon hinbekommen. Oder genauer: Sie musste sie hinbekommen, egal wie. Wenn es nicht klappte, war es immer noch früh genug, sich Gedanken zu machen.
    »Die Vorlesungen waren sehr interessant«, sagte sie.
    Auch das war eine Lüge. Sie hatte zwar alle Vorlesungen besucht, aber verständlicherweise hatte sie ihnen kaum folgen können. Viel war nicht bei ihr hängen geblieben. Nach der ersten waren noch zwei andere Veranstaltungen gefolgt, eine Doppelstunde über die passende Kur bei einer Dyskrasie des gelben Gallenflusses, sowie eine weitere, in welcher der Dozent aus einer Schrift namens Chirurgia magna vortrug, die von einem Franzosen namens Guy de Chauliac verfasst worden war. Das Werk sei über zweihundert Jahre alt, so der Professor, doch es enthalte unter anderem profunde Beweise für die Richtigkeit der Lehre vom guten und lobenswerten Eiter. An mehr konnte Celestina sich kaum erinnern.
    »Neuigkeiten aus der Anatomie kann ich Euch noch nicht überbringen«, sagte sie. »Seziert werden derzeit nur Tiere.« »Zerbrecht Euch darüber nicht den Kopf. Neuigkeiten kann man nicht herbeizwingen, sie stellen sich von selbst ein und kommen überdies meist unerwartet.«
    »Da habt Ihr recht.« Wenn du wüsstest, wie sehr, fügte sie in Gedanken hinzu.
    Sie verabschiedete sich von dem Mönch und verließ das Spital. Draußen prüfte sie den Sitz ihrer Haube, hängte sich den Korb mit der Männerkleidung über den Arm und beeilte sich, nach Hause zu kommen.

Drei Tage später, Anfang Juli
    »Ich finde diesen Stoff ganz entzückend«, behauptete Celestina. Sie saß auf einem Schemel in der Ecke der Schneiderei und betrachtete ihre Cousine, die sich selbst im Spiegel musterte, während die Schneiderin ihr eine

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