Das Mädchen-Buch
sein, für die Eltern die Funktion einer Freundin, eines Partners oder gar eines sorgenden Elternteils übernehmen zu müssen. Eltern sollten sich also ihrer Rolle als Eltern und der Grenzen, die damit verbunden sind, bewusst sein.
Wir sollten unsere Kinder ernst nehmen in ihren Wünschen und sie nicht wegstoßen oder auslachen, wenn sie mit »Liebesfantasien« oder »Vernichtungswünschen« zu uns kommen. Und auf der anderen Seite müssen sie klar erfahren: »Der Platz des Partners oder der Partnerin der Mutter oder des Vaters ist besetzt und steht ihnen nicht zur Verfügung. Stattdessen gibt es einen anderen Platz, den der Tochter oder des Sohnes.«
»Diese Konfrontation mit der Realität kann für das Kind hart sein, sie unterstützt jedoch die Identifikation mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil und ermöglicht es dem Kind, Sicherheit in der eigenen Geschlechtsrolle als Mädchen oder Junge zu gewinnen.« 26
LOTHAR KLEINSCHMIDT, SEXUALPÄDAGOGE, U. A.
Trost für alle Mütter, die sich zurückgesetzt fühlen: Ihre Position ist unbestritten. Seien Sie froh, wenn der Vater sich einmischt und die Tochter ein gutes Verhältnis zu ihm hat. Spätestens, wenn es um Themen geht, die speziell Mädchen und Frauen betreffen oder von denen Ihre Tochter weiß, dass Sie näher dran sind, wird sie Ihre Nähe suchen. Vorausgesetzt, sie spürt, dass Sie keine Konkurrenzgefühle ihr gegenüber hegen und sie, was sie sagt oder gerade beschäftigt, nicht abwerten. Jeder der Eltern besetzt für die Kinder einen anderen Platz. | 76 |
Beide sind gleich wichtig. Wenn die Eltern sich gegenseitig wertschätzen und respektieren, umso besser für ihre Tochter. Sie lernt: Meine Mutter ist es wert, geliebt zu werden, mein Vater auch und somit ich selber auch. Viele Punkte für das Selbstwertgefühl!
Zwei Farben – ein Trick der Industrie
Wenn man als junge Mutter oder als junger Vater zum ersten Mal in große Spielwarengeschäfte kommt, kann einen beim Anblick der meterlangen rosa Regale buchstäblich der »Schlag« treffen. Rosa ist noch zu milde formuliert. Es handelt sich um ein knalliges Pink, das einem da entgegenleuchtet. Viele Eltern, mit denen ich gesprochen habe, finden es abschreckend und geschmacklos und versuchen, sich an den Regalen vorbeizustehlen. Und trotzdem, viele haben das Gefühl, dass man als Eltern einer Tochter gar nicht drum herumkommt:
»Ich halte dieses Rosa-Pink mit Absicht fern, aber ich mache die Beobachtung, wenn z. B. andere Mädchen da sind, und deren Puppenwagen ist rosa, das findet sie dann total chic. Es ist schon interessant, dass die auch so fixiert sind auf so eine Farbe.«
SELDA, 42, DREI JUNGEN, EIN MÄDCHEN
Früher war es genau umgekehrt
Wenn man Gemälde aus dem 18. oder 19. Jahrhundert betrachtet, kommt man mit unserer heutigen Farbwelt etwas durcheinander. Jungen, Erstgeborene oder Kronprinzen waren sehr häufig in | 77 | Rot gekleidet. Auch das Jesuskind, wenn es bekleidet dargestellt wird, hat in der Regel nichts Blaues an. Blau ist die »Marienfarbe«. Maria trägt beispielsweise auf Bildern von Albrecht Dürer oder Stephan Lochner einen blauen Schleier oder ein blaues Kleid. 27 Die belgische Prinzessin Astrid dekorierte 1927 in Erwartung eines Sohnes die Wiege »in der Jungenfarbe Rosa«. Rosa war das »kleine Rot« und das stand für Blut und Kampf und damit für Männlichkeit. Hellblau, »das kleine Blau«, war für die Mädchen vorgesehen. 28
Heute gilt Pink als »typisch Mädchen« und dies oft mit dem Beigeschmack von » zickig«, »poppig« oder auch von »schwul«. »Pinkifizierung« nennen Wissenschaftler diesen »neuen alten« Trend, den sie der Spielzeugindustrie zuschieben. Die Autorin Carolin Wiedemann betont in ihrem FAZ-Artikel »Rosa Rollback«, dass die Produkte der Industrie bei den Eltern offensichtlich auf fruchtbaren Boden fallen. 29 Sie sieht einen »neuen Konservativismus«, der kleine Mädchen zu einem Stereotyp erziehe, das längst überholt schien.
»Pinkstinks« heißt eine »Kampagne gegen Produkte, Werbeinhalte und Marketingstrategien, die Mädchen eine limitierende Geschlechterrolle zuweisen«. 30 Verein gegen die »Pinkifizierung« nennen sie sich selbst. »Wir werben für alternative weibliche Rollenbilder für unsere Kinder«, heißt es auf der Website. Ein tapferes Anliegen. Klar ist: Die Spielzeugindustrie ist sehr interessiert an unterschiedlichen Produkten für Jungen und Mädchen, weil sie dann mehr verkaufen kann. Der kleine Bruder braucht
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