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Das Mädchen-Buch

Das Mädchen-Buch

Titel: Das Mädchen-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Raffauf
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k., jedenfalls darf man nicht dazu stehen.«
    Kinder, die sich über ihr Geschlecht unsicher sind, sind verunsichert. Kinder, die als Kinder eine klare Geschlechtsvorgabe hatten, die wussten: »Ich bin ein Mädchen«, »Ich kann Haarspangen tragen«, »Ich kann mir Zöpfe flechten« und meinetwegen auch »Ich darf rosa Kleider anziehen«, denn daran erkennt man in unserer Gesellschaft unter anderem ein Mädchen und das bin ich, fühlen sich zugehörig und erst mal sicher. Diese Mädchen sind dann später auch freier, sich zwischen »typisch« weiblich oder nicht zu entscheiden, als Mädchen, die mit einer Unsicherheit über ihre Geschlechtszugehörigkeit aufwachsen.
    Der Wuppertaler Entwicklungspsychologe Hanns Martin Trautner fand heraus, dass schon einjährige Kinder weibliche und männliche Gesichter unterscheiden können und die entsprechenden Stimmen zuordnen. Bei Kindern zwischen drei | 84 | und sechs Jahren nimmt die Frage, zu welchem Geschlecht sie gehören, extrem zu. Und Trautner fand in Längsschnittstudien heraus: Wer als Kleinkind seine Welt besonders klar in männlich/weiblich aufteilte, konnte später lockerer mit den Kategorien umgehen. 35 Das bedeutet nicht, dass wir an allen Rollenklischees festhalten sollten. Im Gegenteil, eigentlich gehe es doch nur darum, das Geschlecht als eine Art Groborientierung in einer »unübersichtlichen Welt« zu nutzen, meint Zeit-Autor Burkhard Strassmann. Man solle die Geschlechterdifferenz entspannter betrachten. So könnten »Mädchen, die als Prinzessinnen starten, als Feuerwehrfrau enden«.
    Vielleicht hat die zweijährige Toni recht, wenn sie sich vorstellt, dass sie verschiedene Stadien durchlaufen wird: »Jetzt habe ich eine Scheide und später werde ich dann einen Penis haben.« Nehmen wir die Vorstellung von »Scheide« und »Penis« als Symbole für männlich und weiblich. Und gehen wir davon aus, dass es sich hier auch um Zuschreibungen handelt, wenn wir sagen, Männlichkeit ist »stark sein«, keinen Schmerz kennen, eindringend usw., und Weiblichkeit ist einfühlsam, verletzlich, aufnehmend. So können wir behaupten, dass jeder Mensch körperlich (bis auf sehr seltene Ausnahmen) zwar eindeutig einem Geschlecht zugehört, seelisch aber durchaus männliche und weibliche Anteile in sich trägt.
    Coach
    Ein wünschenswertes Ziel für ein erfülltes (Sexual-)Leben wäre es dann, als erwachsener Mensch seine männlichen und weiblichen Anteile zu integrieren und die geschlechtsbezogenen Klischees hinter sich zu lassen. Dabei können Eltern ihre Kinder auf verschiedene Weise unterstützen, indem sie | 85 |
sich mit ihrem eigenen Verhalten, den »geheimen Botschaften«, die sie an die Kinder »aussenden«, auseinandersetzen,
überprüfen, ob sie vielleicht nonverbal, durch zu große Ängstlichkeit oder Fürsorglichkeit ihrer Tochter vermitteln, ein »braves« Mädchen zu werden,
im Alltag vorleben, dass die Rolle, die jeder einnimmt, nicht statisch ist, sondern dass jeder Elternteil auch im Wechsel für bestimmte Aufgaben zuständig ist: Kochen, Putzen, Waschen, Geldverdienen, Kinderversorgen usw.,
Kinderfreundschaften ermöglichen und fördern. Denn das ist wichtig, um aus der Elektra-Situation herauszukommen und um selbstständig und unabhängig von den Eltern zu werden. | 86 |

Kap06

    Drei Rollen vorwärts
Sechs bis zwölf Jahre
Weitsprung
    Vollgepackt mit ersten »Malen« ist die Zeit von sechs bis zwölf: »Mama kommt«, »Lisa kommt«, hat Jana nach kurzer Zeit ihrem erstaunten jüngeren Bruder vorgelesen. Einen Tag später machte sie ihr erstes Schwimmabzeichen: das Seepferdchen. Gleichzeitig dachte sie darüber nach, welches Kleid sie zur Hochzeit mit ihrem Kindergartenfreund tragen würde, und weinte, weil es auf dem Schulhof Ärger mit den anderen Mädchen gab und sie doch lieber wieder zurück in den Kindergarten wollte. | 87 |
    Dazugehören oder raus sein, das ist die wichtigste Frage, die die Mädchen beschäftigt. Sie entscheidet sich auf dem Schulhof. Wen mag ich und werde ich zurückgemocht? Werde ich aufgefordert mitzuspielen, wenn eine Gruppe beschlossen hat, Fangen zu spielen? Bin ich beliebt oder bin ich es nicht? Werde ich gehänselt wegen meiner Brille, meines Gewichtes, meiner Hautfarbe, meines Sprachakzents, meiner Klamotten? Oder mögen mich viele, weil ich immer so nett bin und in mir ruhe, oder einfach, weil ich oft Süßigkeiten dabeihabe, um Freunde | 88 | zu finden? Wie bin ich? Wie entwickelt sich mein Körper? Wem gefalle ich und

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