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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Palazzo Vendramin vorbei, als die Aristokratin mit ihren Freundinnen heraustrat. Benedetta grüßte sie bescheiden und fragte sie, wie die Vorführung der Kleider der Jüdin verlaufen sei.
    »Dieses Mädchen hat Talent, Ihr hattet absolut recht«, sagte die Aristokratin heiter. »Wir haben einige Kleider bei ihr in Auftrag gegeben. Wusstet Ihr, dass ihr kleiner Laden Psyche heißt?«
    »Nein«, log Benedetta. »Seele … was für ein seltsamer Name.«
    »Psyche und Amor«, sagte die Edeldame. »Und Blut von Verliebten.« Sie lachte. »Was für ein Unsinn.«
    »Ach ja, was für ein Unsinn«, wiederholte Benedetta.
    Die Adlige bemerkte, dass Benedetta dasselbe Kleid wie auf dem Fest trug. »Mein Kind, hört auf mich, lasst Euch nicht mehrmals im selben Gewand blicken«, sagte sie leise.
    »Ihr habt ja recht, Euer Gnaden«, sagte Benedetta kopfschüttelnd. »Aber ich kann nicht anders. Es gibt kein Kleid, das mir so viel Freude bereitet. Ich habe es Euch ja gesagt … diese Jüdin hat mich verhext«, sagte sie lächelnd.
    »Das sagt Ihr nun schon zum zweiten Mal, mein Kind«, erwiderte die Adlige. »Dieses Wort ist … kompromittierend. Vor allem angesichts der Tatsache, dass in Eurem Haus … also in dem des Fürsten … ein Heiliger lebt. Seid vorsichtig, sonst könnte er Euch dafür auf den Scheiterhaufen bringen.« Und da lachte auch sie.
    »Ich werde es nicht mehr benutzen, versprochen«, lächelte Benedetta. Sie verneigte sich und ging.
    Doch nur wenige Schritte später sank sie ganz plötzlich zu Boden, schrie und schlug um sich wie eine Besessene.
    Die erste Reaktion der vornehmen Dame und ihrer Freundinnen war, sich zu entfernen. Doch dann blieb die Adlige stehen und sah zu dem Mädchen hinüber.
    Benedetta hatte sich die Hände vor die Brust geschlagen. Sie war ganz rot im Gesicht, ihre Augen waren geweitet, und sie schrie unzusammenhängende Sätze.
    »Nein! Du wirst mich nicht bekommen … Helft mir! Ich verbrenne … Zieht mich aus … Zieht mir dieses Kleid aus … ich verbrenne! Ich komme … ins Feuer … Bitte … nein! Nein!«
    Und dann, während die Leute zusammenliefen und stehen blieben, ohne etwas zu unternehmen, riss sich Benedetta das Kleid vorne auf und entblößte ihren Busen.
    »Gütiger Gott!«, rief die Aristokratin.
    »Hilfe!«, schrie Benedetta und riss sich, von Krämpfen geschüttelt, das Kleid immer weiter vom Leib. Sie hob den Rock und entblößte ihre Beine, die Schenkel und die Scham. »Ich verbrenne! Ich komme ins Feuer!«
    Schließlich, als die Adlige und ihre Freundinnen doch einschritten und die Diener und den Pförtner des Palazzos riefen, damit diese dem Mädchen zu Hilfe eilten, richtete sich Benedetta vollends auf und riss sich in einer letzten, schmerzhaften Anstrengung das Kleid herunter, sodass sie vollkommen nackt dastand.
    »Seht nur!«, rief da eine Frau. »Sie ist voller Wunden! Das sind Verbrennungen.«
    Und alle sahen, dass Benedettas Rücken violett verfärbt und mit wässrigen Pusteln bedeckt war.
    »Bringt sie hinein!«, befahl die Adlige ihren Dienern.
    Benedetta drehte sich zu ihr um und sah ihr schmerzerfüllt in die Augen. »Nein … es geht mir gut … Jetzt geht es mir gut …«, sagte sie, ehe sie wie ohnmächtig zu Boden sank. Und in dem Moment lief ihr ein Blutfaden aus dem Mundwinkel.
    Die Menge raunte erschrocken. Die Adlige bedeckte sich die Augen.
    Mehrere Diener aus dem Palazzo Vendramin hoben Benedetta hoch.
    Das Kleid blieb zerrissen und schmutzig auf dem Boden zurück. Eine Bauersfrau bückte sich danach und nahm etwas an sich, das aus einer Falte hervorgekommen war. Sie zeigte es den Umstehenden. Es war eine Rabenfeder, an der eine gekrümmte Nadel befestigt war. Die Spitze war blutbeschmiert.
    »Ein Fluch«, rief sie. »Das ist ein Fluch! Armes Mädchen!«
    Wieder ging ein Raunen durch die Menge. Eine alte Frau lief hastig davon und bekreuzigte sich ununterbrochen.
    »Unsinn! Alles Aberglaube!«, tadelte die Adlige die Umstehenden. Aber sie sah das Kleid auf dem Boden nur an, ohne es aufzuheben, und verschwand hastig in ihrem Palazzo.
    Aus einem kleinen Seitenkanal in der Nähe fuhr langsam das flache Boot heran, das den Abfall einsammelte. Im Heck stand der große Bottich mit den Exkrementen, im Bug der für die übrigen Abfälle. Aus einigen Häusern ließen die Bewohner Eimer mit stinkendem Unrat an einem Seil herab. Öfter allerdings, wenn das Boot nicht vorbeikam, endete der Inhalt derselben Eimer direkt im Wasser des Rio, verschmutzte es

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