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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Hier auf der Hälfte des Rio de la Madoneta steigt ihr aus und lauft ein paar Schritte durch die Salizada San Polo. Das Haus von Anselmo del Banco ist das größte und prachtvollste hier.« Er schüttelte den Kopf und brummte dann halblaut: »Dieser Blutsauger.«
    »Dann weißt du ja, an wen du dich wenden kannst, wenn du einen Aderlass brauchst«, sagte Donnola. »Und jetzt sei still und leg dich ins Zeug, der Doktor hier bezahlt dich nicht dafür, dass du seine Freunde beleidigst, du Schafskopf.«
    Die Gondel näherte sich der Anlegestelle, und die Passagiere stiegen aus. Nach wenigen Metern waren sie auf dem Campo San Polo angekommen, einem gepflasterten Platz vor der gleichnamigen Kirche mit einem schönen überdachten Brunnen in der Mitte. Einige Straßenkehrer sammelten dort mit ihren großen Besen und Holzschaufeln den Müll auf.
    »Mittwoch ist immer Markt«, erklärte Donnola. Dann deutete er mit dem Finger auf ein stattliches dreigeschossiges Wohnhaus schräg gegenüber der Kirche. »Dort wohnt Anselmo del Banco. Er ist nicht nur wohlhabend, sondern auch sehr einflussreich«, flüsterte er ihm verschwörerisch zu. »Vor fünf Jahren hielt auf diesem Platz der Mönch Ruffin vor fast zweitausend Menschen eine Hetzpredigt gegen die Israeliten, und man erzählt sich, dass Euer werter Bankier zum Rat der Zehn gegangen ist, um sich zu beschweren, und der hat daraufhin den Mönch … mit Verlaub gesagt, so richtig in den Arsch getreten. Fragt ihn selbst.«
    Als sie vor dem Haus des Bankiers angelangt waren, wandte sich Isacco ein wenig verlegen an Donnola: »Es tut mir leid, aber …«, stammelte er.
    Der unterbrach ihn schmunzelnd. »Ich weiß, dass ich ein goi bin und das Haus des Bankiers nicht betreten darf. Macht Euch keine Sorgen, Herr Doktor. Es kommt nicht so oft vor, dass einem Christen und nicht etwa einem Juden der Zutritt verwehrt wird, meint Ihr nicht auch?«
    Isacco lächelte belustigt, dieser Donnola gefiel ihm immer besser. Dann klopfte er an der Tür.
    Ein Diener in entsprechender Kleidung öffnete.
    »Ich bin Isacco di Negroponte, und das ist meine Tochter Giuditta. Asher Meshullam erwartet uns.«
    Der Diener verbeugte sich, ging zur Seite, ließ Isacco und Giuditta eintreten und schloss die Tür, ohne Donnola auch nur eines Blickes zu würdigen. Dann führte er sie schweigend zu einem Innenhof, in dem Zedern und Orangenbäume wuchsen. Dort in der Mitte saß unter einem Zelt aus gelb-rosa Seide ein kleiner, magerer Mann. Er hielt die Hände über ein Glutbecken auf dem Tisch vor ihm, von dem eine angenehme Wärme ausging.
    »Setz dich«, sagte der Mann zu Isacco. Er hatte eine hohe Stimme, fast wie die einer Frau. Trotzdem vermittelte er den Eindruck von großer Stärke.
    »Asher Meshullam, es ist mir eine Ehre, in Eurem Haus empfangen zu werden«, sagte Isacco.
    »Setz dich«, wiederholte der Bankier und klopfte auf einen damastbezogenen Sessel neben sich. Dann wandte er sich an Giuditta. »Vielleicht möchtest du dir ja die exotischen Gewächse etwas näher ansehen. Die höchsten unter ihnen sind Zitronenbäume für medizinische Zwecke, die anderen süße Orangen. Das Klima Venedigs ist nicht gerade geeignet für diese Pflanzen, denn sie lieben die Sonne. Deswegen sind sie ein wenig verkümmert. Aber wie wir Juden sind sie stark und äußerst anpassungsfähig.«
    Isacco gab Giuditta ein Zeichen, sich zu entfernen, dann nahm er Platz.
    Das Mädchen lächelte abwesend. Asher Meshullams Pflanzen interessierten sie nicht, aber sie war froh, für sich sein und ihren Gedanken nachhängen zu können. »Ich werde dich finden«, hatte Mercurio ihr gesagt. Und heute hatte er sie gefunden, hatte ihren Namen gerufen. Warum nur hatte sie ihm nicht geantwortet? Warum hatte sie ihren Vater nicht gebeten, die Gondel anlegen zu lassen? Giuditta hatte keine Antwort auf diese Fragen. »Weil ich Angst habe«, flüsterte sie, während sie sanft über das glatte Blatt eines Orangenbaums strich. Doch dann riss sie es wütend ab. »Weil ich noch ein kleines Mädchen bin«, sagte sie laut. Erschrocken drehte sie sich zu ihrem Vater und Asher Meshullam um. Sie hatten nichts bemerkt. Schnell ließ sie das Blatt fallen. »Weil ich noch ein kleines Mädchen bin«, wiederholte sie, diesmal ohne Wut. Und dann dachte sie zuversichtlich, in Venedig würde sie ganz bestimmt bald zur Frau werden.
    Sobald der Bankier mit Isacco allein war, ergriff er das Wort. »Weißt du, wie diese Orangen genannt werden? Portogalli. Es gibt

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