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Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest

Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest

Titel: Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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Leuten herumzuschlagen, von denen man weiß, daß man sie nie wieder sieht. Ich wollte schon längst Schluß damit machen. Ich träume davon, weit weg von allem ein Dorf zu finden, ein Dorf mit achtundzwanzig Einwohnern. Die würde ich alle kennen, und sie würden mich kennen, am nächsten Tag, im nächsten Jahr und in zehn Jahren. Dann brauchte ich mir nicht mehr Namen und Gesichter zu merken und wüßte am Morgen bereits vor dem Aufwachen, wo ich bin, anstatt nachher herumzurätseln.«
    »Ich träume davon, daß ich wieder in diese Schule gehe. Ich war sechs Jahre in dieser Schule, von neun bis fünfzehn. So lang war ich nirgendwo sonst. Ich träume, daß eine Klasse abreist, und ich muß auch abreisen und weine. Aber dann holen sie mich aus der Reihe, und ich weiß, daß ich bleiben kann; das ist wunderbar. Die anderen marschieren davon, aber ich darf bleiben.«
    »Aber Sie durften nicht bleiben.«
    »Charla kam in einem Auto so groß wie ein Lastwagen, mit einem Chauffeur in Uniform und einer englischen Lady Irgendwas, die beim Lachen immer schrecklich prustete. Ich hätte bei einer Schulaufführung mitwirken sollen, aber das hat sie einen Dreck gekümmert. Sie fuhren mit mir nach Paris und kauften mir eine Menge Kleider. Wir trafen noch andere Leute und flogen gemeinsam nach Kairo.«
    »Manchmal sprechen Sie mit mehr Akzent.«
    »Wenn es sein muß, kann ich ganz ohne sprechen.«
    »Könnte es sein, daß Charla die Einbrüche in die Wohnungen meines Onkels arrangiert hat?«
    »Warum nicht? Es liegt zwar nicht auf ihrer Linie, etwas unfein und wahrscheinlich ziemlich teuer. Aber sie denkt praktisch.«
    »Sie werden nicht an diesen Brief herankommen.«
    »Sie können es sich leisten, ein Jahr zu warten. Und Sie haben nichts als ein Andenken.«
    Er zog die Uhr aus der Tasche. Sie nahm sie ihm aus der Hand. »Eine richtige Großvateruhr.« Bevor er es noch verhindern konnte, sah sie durch das kleine goldene Fernrohr.
    »Ach du liebe Zeit«, sagte sie mit müder Stimme. »Zeigen Sie das nicht Bernie. Das fehlt gerade noch in diesem Apartment. Auf dieser Wand hier ist noch Platz für ein Wandgemälde.« Sie sah noch einmal durch. »Dieser Plunder kommt aus Japan. Ein Mädchen in der Schule hatte eine ganze Schachtel voll davon. Ihre waren alle in Ringe eingesetzt.« Sie gab ihm die Uhr zurück, und er steckte sie wieder in die Tasche. Da beugte sie sich vor und streckte die Hand aus. Nach seiner demütigenden Flucht aus Wilmas Wohnung hatte er beschlossen, Feuer mit Feuer zu bekämpfen. Er wollte sie berühren, zielte aber schlecht. Seine Handfläche glitt über ihre kleine, feste Brust, die rund unter der blauen Bluse ruhte, wie ein Apfel in der Sonne. Ihre Zähne blitzten auf, aber es war kein Lächeln, dann knallte etwas auf seine linke Wange. Seine Augen füllten sich vor Schmerz mit Tränen. Sein Blick trübte sich. Als er sie wieder klar sehen konnte, blickte sie ihn ernst an und saugte dabei an ihren Fingerknöcheln. Er schob mit der Zungenspitze einen Metallsplitter aus dem Mund auf die Lippe, nahm ihn in die Hand und starrte ihn an. Es war ein Stück von einer Zahnfüllung. Es gab ein leise klickendes Geräusch, als er es in den Aschenbecher fallen ließ.
    In der darauf folgenden Stille, griff sie wieder nach ihm, zog die Zigaretten aus seiner Hemdtasche, nahm eine aus der Packung und steckte die Packung wieder zurück.
    »Hat Sie die Umgebung inspiriert, was?« fragte sie.
    »Ich habe nur geglaubt ...«
    »Vielleicht hat Charla Ihr Gefühl für Werte verschoben, mein Freund. Vielleicht ist es für sie nur eine gesellschaftliche Geste, so wie man die Butterdose reicht oder um den nächsten Tanz bittet. Nicht bei mir, Winter. Ich schätze mich höher ein.«
    »Sie hat gesagt, daß es gerade umgekehrt wäre«, entgegnete er unglücklich.
    »Wie viele Lügen werden Sie noch glauben?«
    »Von jetzt an - nicht mehr sehr viele.«
    »Ich wollte nicht so kräftig zuschlagen, Kirby.«
    »Ich habe schon bessere Tage erlebt als den heutigen.«
    Sie stand auf und ging durchs Zimmer. Wieder bewunderte er ihre Ausdruckskraft. In ihrem Gang lag Zögern, Bedauern und Unberührbarkeit. Sie hantierte an einem Schaltbrett an der gegenüberliegenden Wand. Ein ohrenbetäubendes Kreischen ertönte und wurde immer lauter - das mußte ein Jet sein, der in das Gebäude donnerte. Kirby sprang auf, da verwandelte sich das Geräusch in das Sperrfeuer von Infanterie. Sie reduzierte die Lautstärke und plötzlich ertönte

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