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Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest

Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest

Titel: Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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großes Glas mit Eis?«
    »Liebend gern, Bonny Lee.«
    Auf einen Teakholztablett brachte sie den Wein in hohen Gläsern und dicke Sandwiches auf weißen Servietten. Noch nie hatte ihm etwas so gut geschmeckt. »Ich bin ein Nachtmensch«, meinte sie emsig kauend. »Drei Uhr, vier Uhr, da könnte ich Bäume ausreißen.«
    »Aber Sie kommen auch in die Sonne.«
    »Ich stelle meinen Wecker meistens auf zwölf Uhr mittag. Dann schwimme ich fünfzig Längen, immer fünf auf einmal und zwischendurch liege ich in der Sonne. Hält mich gut in Form, finden Sie nicht?«
    »Phantastisch, Bonny Lee.«
    Sie trug das Tablett in die Küche und füllte die Weingläser nach. Nachdem sie ausgetrunken hatten, stellte sie die Gläser beiseite. »Jetzt machen Sie die Augen zu und hören Sie Billie singen.«
    Sie machte es wunderbar, ihre Stimme klang rauchig und weich. Er öffnete die Augen. Sie sang mit geschlossenen Augen und schwankte sanft hin und her. »... die reichen Verwandten geben Rinden vom Brot. Du kannst dich bedienen, aber nimm nicht zuviel ...«
    Der letzte Ton verklang in der Stille des Raums. Sie öffnete die Augen; sie glänzten.
    »Schon komisch, daß dir das gefällt Kirk, daß du Billie kennst und dir gerade dieses Lied gewünscht hast! Spürst du, wie etwas, das ganz verkehrt begonnen hat, sich langsam verwandelt?«
    »Ja, Bonny Lee.«
    »Jetzt, da ich weiß, daß du es bist, könnte vielleicht aus dem ersten Mal doch noch etwas Richtiges werden. Aber ich will nicht, daß du dir ein falsches Bild von mir machst. Es ist das erste Mal in meinem ganzen Leben, daß ich einen Freund erst so kurz kenne. Aber die Zeit ist für uns irgendwie durcheinandergeraten.«
    »Ich denke mir schon nichts Falsches.«
    Sie ging in die Kochnische, drehte das Licht aus und kam zurück. Kurz darauf fragte sie. »Kirk, mein Süßer, warum zitterst du so?« Und dann: »Deine Hände sind eiskalt!« Und noch später: »Bedeutet es dir wirklich so viel? Sei ehrlich!« Und als sie es wußte, flüsterte sie. »Dann bedeutet es mir auch zehnmal mehr, und das werde ich dir jetzt zeigen. Du lieber Himmel, ich bin wieder drauf und dran, mich zu verlieben, in einen flachshaarigen, reizbaren Yankee mit kalten Händen, der keinen Job hat und so süß und sanft ist, daß ich jeden Augenblick in Tränen ausbreche. Und ab jetzt wird kein Wort mehr geredet.«

Kapitel 8
    Eine Hornisse so groß wie eine Möwe hockte genau vor seiner Nase. Sie hatte ein breites, ekelhaftes Gesicht, graugrüne Augen, lange, schwere, weiche Haare und einen stark geschminkten, dicken Mund. Sie schmatzte böse und schwang den Stachel hin und her. Die großen, geäderten Flügel wirkten steif, als wären sie aus Glas und vibrierten in gewissen Abständen sekundenlang. Dabei erzeugten sie ein schwingendes, schnarrendes Geräusch und wurden beinahe unsichtbar.
    Die Hornisse war verschwunden. Ein Telefon läutete. Er setzte sich auf; das Gefühl für Raum und Zeit war ihm abhanden gekommen, und er war noch immer ängstlich wegen der Hornisse. Er lag in einem riesigen Bett in einem dämmrigen Zimmer; die schräge Morgensonne fiel vom Balkon herein. Während er automatisch mitzählte, wie oft das Telefon läutete, drehte er sich um und erblickte einen zerstrubbelten Lockenkopf auf einem Kissen am anderen Ende des Betts, mehr als einen Meter entfernt, einen zierlichen, braunen Nacken mit einem V-förmigen weißen Haaransatz, dunkelbraune Schultern und ein blaßblaues Laken, das sich um einen langen Mädchenkörper schmiegte - alles zusammen eine unglaubliche Bereicherung für einen beispiellosen Morgen. Wie eine Lawine stürzten die Erinnerungen plötzlich über ihn herein und füllten seine ausgedörrten Gehirnwindungen. Das Entzücken durchfuhr ihn mit einem unerwarteten Stich, und er empfand eher Schmerz als Freude. Er hatte das Gefühl, als hätte ihm plötzlich jemand eine hohle Nadel ins Herz gestoßen und es mit würziger Melasse vollgepumpt ... - dreizehn, vierzehn, fünfzehn, das Telefon hörte nicht auf zu läuten. Es mußte Betsy Alden sein, die anrief. Jeder andere hätte es längst aufgegeben. Sie ließ es läuten und läuten und verriet ihm dadurch, wer es war.
    - neunzehn, zwanzig, einundzwanzig ...
    Er fand das Telefon auf dem Regal links vom Kopfende des Betts.
    »Ja?«
    »Guten Morgen, Kirby«, sagte Joseph. Sein voller, schwingender Bariton klang geschmeidig wie Gelatine.
    »Äh ... wie ...«
    »Sie waren in letzter Zeit wirklich äußerst ermüdend, Kirby. Aber wenn

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