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Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Titel: Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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nach dem Gespräch am liebsten geflohen und hätte die Gaukler verlassen, doch dann zwang sie sich, ruhig nachzudenken. Margaux hatte gesagt, dass es nur ein einzelner Mann gewesen sei, der nach ihr gefragt hatte. Er war gestern bei der Wahrsagerin aufgekreuzt und danach nicht wieder zurückgekommen. Sie versuchte, sich selbst Mut zuzusprechen. Hätte er Verdacht geschöpft und Margaux nicht geglaubt, wäre er schon längst mit Verstärkung zurückgekehrt, überlegte sie. Dann wäre es genau das Falsche, wenn sie die Truppe verließe, sondern weitaus sicherer, vorerst bei ihr zu bleiben.
    Sie fragte sich, wer der Mann war, der sich nach ihr erkundigt hatte. Einer der Schergen der Guise? Sie fühlte, wie sie allein bei dem Gedanken Panik befiel.
    Die Sonne war inzwischen aufgegangen und sie sah, dass die Gaukler begonnen hatten, ihre wenigen Habseligkeiten zusammenzupacken und die Tiere anzuspannen, um weiterzuziehen.
    Ihre Route führte zwischen Feldern und Wald durch eine hüg lige Landschaft. Hier in dieser Abgeschiedenheit würde ihnen wohl kaum ein Mensch begegnen, versuchte sie sich zu beruhigen.
    Gegen Mittag überquerten sie in der Einsamkeit der Landschaft die unsichtbare Grenze zwischen der Champagne und dem Herzogtum Nemour. Damit verließen sie das offizielle Herrschaftsgebiet der Guise, wusste Madeleine, die einen Anflug von Erleichterung verspürte, auch wenn ihr klar war, dass sie sich noch lange nicht in Sicherheit befand. Der Einfluss der Guise reichte ins gesamte Land, und der Herzog de Nemour gehörte zu ihren Verbündeten. Wie es hieß, hatte er erst kürzlich um die Hand von Anne d’Este, der verwitweten Herzogin de Guise, angehalten.
    »Was ist mit dir? Hast du einen Frosch verschluckt?«, fragte Rémi mit schräg gehaltenem Kopf. Er saß auf dem Versorgungskarren, da er zu Fuß das Tempo nicht mithalten konnte, und hatte schon eine ganze Weile beobachtet, wie sie schweigsam neben dem Wagen herlief, der von zwei abgemagerten Eseln gezogen wurde.
    Madeleine wandte den Kopf zu ihm. »Mit mir? Nichts …«, log sie und ignorierte seine hochgezogenen Brauen, während ihr Blick wieder über den Horizont glitt. Gewöhnlich kündigten die Spitzen der Kirchtürme schon von Weitem die Dörfer oder Ortschaften an, denen sie sich näherten, doch heute war in der Ferne nichts zu erkennen.
    »Werdet ihr heute keine Vorstellungen geben?«, fragte sie, bemüht, das Thema zu wechseln.
    »Nein, frühestens morgen oder übermorgen wieder«, bestätigte der Zwerg, der die Strecke schon mehrmals gereist war. »Gaspard vermeidet, die Grenzen zwischen den einzelnen Herzogtümern und Provinzen auf den großen Straßen zu überqueren«, erzählte er. »Das kostet nur teueren Wegzoll, und die Zöllner und Wachsoldaten halten uns außerdem gerne mal fest. Umherziehende Gaukler erregen meistens nur Misstrauen.«
    Das hatte Madeleine inzwischen schon selbst bemerkt, und es war im Grunde auch nicht weiter verwunderlich, dachte sie. Ihr Blick fiel auf ihre Schuhe, deren Leder vom Staub und steinigem Untergrund so strapaziert war, dass an ihrem rechten Fuß, genau über dem großen Zeh, ein Riss klaffte. Ihr Kleid wies unzählige Flecken und sogar einige Löcher auf, und einen Moment lang sah sie sich und die Truppe mit den Augen anderer: die merkwürdige Mischung zusammengewürfelter Gestalten mit ihrer vom Wetter gegerbten Haut und der schmuddligen, verschlissenen Kleidung, in deren Schlepptau sich ein Zwerg und ein Bär befanden und die ihre Habe scheppernd auf Karren, zwei abgemagerten Eseln und einem Pferd mit sich führten. Es war wahrhaftig kein Wunder, dass sie Misstrauen erregten.
    Nun, ihr waren die Umwege, die sie deswegen machten, nur recht!
    Fast zwei Tage lang trafen sie keine Menschenseele, bis sie schließlich Richtung Montargis weiterzogen und dort wieder die ersten Dörfer erreichten.

33
    D ie Ankunft der Gaukler ließ die Menschen aus ihren Häusern und von der Arbeit auf den Feldern herbeilaufen. Die Truppe hatte auf dem kleinen Dorfplatz haltgemacht, um die Gunst der Stunde zu nutzen und ihre Künste zum Besten zu geben.
    Mit offenen Mündern und begeisterten Zwischenrufen bestaunten die Leute die Jonglierkünste und Zaubertricks von Gaspard und Lucs Dressurnummer mit dem Bären.
    Madeleine, die halb verdeckt neben einem Karren lehnte und die Vorführung von hinten beobachtete, ließ ihre Augen über die ärmlich gekleideten Dorfbewohner schweifen. Viele waren abgemagert und trugen trotz des herbstlichen

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