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Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Titel: Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Madeleine zu den Hugenotten geflohen sein, dann wird sie dort über kurz oder lang in derselben Gefahr schweben wie bei den Guise und der Hexerei verdächtigt werden können! Aus diesem Grund bin ich hier.« Seine Stimme klang eindringlich. »Ihr müsst mir jedes noch so unwichtige Detail über diese junge Frau und ihre Mutter erzählen, denn wir müssen sie finden, und zwar so schnell wie möglich. Es gibt nur einen Ort, an dem sie in Sicher heit sein wird – am Hof, unter dem Schutz der Königinmutter!«

40
    S onnenstrahlen fielen durch das kleine Fenster und tauchten die Kammer in ein helles, beinah gleißendes Licht, das durch ihre geschlossenen Lider drang. Müde öffnete Madeleine die Augen. Sie sah die schmucklose Holztruhe, den kleinen dreibeinigen Schemel und die Waschschüssel mit dem Krug daneben, und sie wusste im ersten Moment nicht, wo sie war. Dann entdeckte sie das Kleid. Es war blau und lag ordentlich zusammengefaltet mit einem Unterrock und einer Haube auf der Truhe, als hätte es dort jemand für sie bereitgelegt. Sie war in La Bonnée, fiel ihr ein … Die Erinnerung an den gestrigen Abend kehrte zurück: ihre Ankunft hier, Madame Maineville, die Haushälterin, das Essen, das sie hungrig verschlungen hatte, und das Bad, das sie genommen hatte. Erschöpft war sie danach ins Bett gefallen. Schon lange hatte sie nicht mehr so tief und fest geschlafen. Sie streckte sich und schlug die Wolldecke zurück. Wie spät mochte es wohl sein?, überlegte sie, während sie aus dem Bett schlüpfte.
    Ihre Haare, von denen noch immer ein angenehmer Geruch nach Seife ausging, fielen ihr in langen, weichen Wellen über die Schultern, und sie trug ein weißes Hemd. Madame Maineville hatte es ihr gegeben. Ihr eigenes Kleid hatte man mitgenommen, um es zu säubern.
    Madeleine goss etwas Wasser aus dem Krug in die Schüssel, wusch sich und streifte schließlich ihr Hemd ab, um das Kleid auf der Truhe überzuziehen. Wer hatte es wohl hierhin gelegt? Hatte sie so tief geschlafen, dass sie nicht gehört hatte, dass jemand in ihrer Kammer gewesen war? Zu ihrer Überraschung passte es. Sie strich den blauen Rock glatt, der aus einem einfach gewebten, aber sauberen Tuch war.
    Dann verließ sie die kleine Schlafkammer, die man ihr in einem der Nebengebäude zugewiesen hatte, und machte sich auf den Weg, die Haushälterin zu suchen.
    Als sie nach draußen trat, fiel ihr auf, dass auf dem Hof reger Betrieb herrschte. Zwei Mägde liefen mit schnellen Schritten zu den Wirtschaftsgebäuden, und eine Gruppe Männer stieg die Treppe zum Schloss hoch. Obwohl Madeleine sie nur von hinten sehen konnte, zeigten ihre Umhänge und verschmutzten Schuhe, dass sie einen langen Ritt hinter sich haben mussten. Einer von ihnen schien verletzt zu sein – er wurde beim Gehen gestützt. Auf der anderen Seite des Hofs, vor den Ställen, standen mehrere Pferde, die von den Knechten abgesattelt wurden.
    Als sie weiterging, bemerkte sie einen rothaarigen jungen Mann in Kniebundhosen und Hemd. Er saß erschöpft und mit hängen dem Kopf auf dem Rand des Futtertrogs. Doch dann schien er ihre Schritte zu hören und hob mit einem Mal das Kinn. Mit einem leichten Lächeln nickte er ihr zu.
    Verlegen erwiderte sie seinen Gruß und lief weiter.
    Sie fand die Haushälterin bei den Wirtschaftsgebäuden, wo sie dabei war, einen Karren voller Gemüse und Obst zu inspizieren, den ein Knecht gebracht hatte.
    »Guten Morgen«, sagte Madeleine höflich.
    Anne Maineville wandte überrascht den Kopf zu ihr. »Nun, für diesen Wunsch dürfte es schon ein bisschen spät sein, mein Kind!«, sagte sie fröhlich.
    Der Knecht grinste breit.
    Madeleine blickte die beiden an. »Wie spät ist es denn?«
    »Es ist bereits nachmittags!«, erwiderte die Haushälterin trocken. »Ich war gegen Mittag einmal bei dir, doch du hast mich nicht einmal gehört. Aber der Schlaf scheint dir gutgetan zu ha ben. Du hast sogar wieder etwas Farbe«, sagte sie und tätschelte ihr die Wangen.
    »Es geht mir auch gut«, bestätigte Madeleine mit einem Lächeln. Nach den Tagen der Flucht fühlte sie sich hier tatsächlich wie im Paradies. Seit langer Zeit hatte sie einmal keine Angst. »Danke für das Kleid.«
    Anne Maineville nickte. »In der Küche bekommst du etwas zu essen. Es geht heute leider etwas hektisch zu. Versuche einfach, dich zu erholen. Du kannst dich überall frei bewegen – allerdings solltest du innerhalb der Mauern des Anwesens bleiben.«
    Madeleine nickte. Auf dem Weg zur

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