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Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Titel: Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Entsetzen krallte Madeleine sich an Apollo fest, der nochmals sein Tempo beschleunigte. Sie spürte, wie sie beim Absprung ein Stück aus dem Sattel gehoben wurde. Ihr Blick heftete sich auf die Bäume und Sträucher. Überrascht glaubte sie, neben sich eine Bewegung wahrzunehmen, doch dann war sie sicher, dass sie sich getäuscht haben musste.
    Apollo setzte auf der anderen Seite auf, und Madeleine prallte unsanft in den Sattel zurück. In diesem Moment schwirrte vor ihr etwas durch die Luft und streifte den Kopf des Pferdes. Ein Pfeil!
    Apollo scheute und stieg wiehernd hoch. Sie schrie entsetzt auf. Verzweifelt griff sie fester nach den Zügeln, doch das schien genau das Falsche zu sein, denn das Pferd versuchte, seine Last loszuwerden, buckelte – und ging durch. Zu ihrer Bestürzung schlug es die entgegengesetzte Richtung ein, in die die anderen Männer geritten waren. Madeleine rutschte im Sattel und konnte sich kaum halten, während Apollo wie von Sinnen im gestreckten Galopp an Bäumen und Sträuchern vorbeijagte – so schnell, dass sie nicht einmal mitbekam, wohin. Sie würde mit gebrochenem Genick irgendwo im Dickicht enden, dachte sie voller Panik und bemühte sich mit aller Kraft, sich festzuhalten. Irgendwann wurde das Pferd endlich langsamer und schnaubte laut. Sein Fell war feucht vor Schweiß.
    Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass das Tier wahrscheinlich in noch größere Panik geraten war als sie selbst. Sie strich ihm über den Hals. »Ist ja gut!«, murmelte sie. Sie versuchte den Rappen zum Stehen zu bringen, und er kam ihrem Befehl tatsächlich nach. Mit zittrigen Knien, die Zügel in der Hand, glitt Madeleine aus dem Sattel und blickte sich um. Sie befand sich auf einer Art Lichtung.
    Da hörte sie eine Stimme und den Hufschlag eines herannahenden Pferdes.
    »Madeleine!« Sie drehte sich um. Vardes kam auf sie zugaloppiert.
    »Bist du gestürzt?«, fragte er, während er schon von seinem Wallach absaß.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein! Es ist nichts passiert …« Doch sie spürte, dass sie noch immer zitterte, und war erleichtert, dass er da war. Ein leichter Schwindel hatte sie ergriffen. Er schaute sie an. Irgendetwas war nicht so, wie es sein sollte, dachte sie plötzlich. Etwas stimmte nicht! Sie hörte ein schwirrendes Ge räusch – ein leiser und feiner Ton, der langsam anschwoll. Nein … Madeleine wurde blass.
    Vardes hatte sie an den Armen gefasst. »Was ist mit dir?«, fragte er besorgt.
    Sie blickte ihn voller Entsetzen an, während das schwirrende Geräusch in ihrem Kopf immer lauter wurde und sich mit einem ersticktem Aufschrei vermischte, der von weit her zu ihr drang. Eine Armbrust … Sie sah, wie sich eine Pfeilspitze tief in das Fleisch eines Mannes bohrte. Es war Vardes’ Rücken! Und es würde jetzt geschehen!
    Sie schrie auf. »Passt auf!« Sie riss Vardes, der sie überrascht anblickte, mit aller Kraft zur Seite. Sie taumelten beide nach links. Beinah gleichzeitig schnellte neben ihnen ein Pfeil durch die Luft und schlug mit einem splitternden Geräusch in den Baum ein.
    Vardes reagierte im Bruchteil einer Sekunde – er zog Madeleine mit sich hinter den nächsten Baum und wirbelte um die eigene Achse. Seine Hand griff in einer blitzschnellen und so plötzlichen Bewegung nach etwas langem Silbernen an seinem Gürtel, dass Madeleine das Wurfmesser erst erkannte, als es bereits durch die Luft flog.
    Sie sah, dass auf der anderen Seite der Lichtung ein Bogenschütze stand, der sich gerade angeschickt hatte, die Armbrust ein zweites Mal zu spannen. Auf seinem Gesicht zeigte sich ein ungläubiger, erstaunter Ausdruck, als er das Messer auf sich zufliegen sah, das sich im nächsten Augenblick auch schon in seinen Kehlkopf bohrte. Der Mann stieß einen erstickten Laut aus. Die Armbrust fiel zu Boden, und er wankte mit aufgerissenen Augen nach vorn. Röchelnd sank er zu Boden. Dann war es mit einem Mal still.
    Sie schaute entsetzt zu der Leiche. Vardes, der seinen Degen gezogen hatte, ließ die Waffe sinken und drehte sich zu ihr. Im selben Moment verlor Madeleine das Bewusstsein.

46
    S ie erwachte schneller aus ihrer Ohnmacht als die anderen Male. Zwei starke Arme stützten sie. Benommen erkannte sie Vardes’ Gesicht. »Was ist geschehen?«, fragte sie, dann bemerkte sie nur einige Schritte entfernt den leblosen Mann auf dem Boden. Die Erinnerung kam schlagartig zurück. Es war erneut geschehen! Sie hatte wieder eine Vision gehabt.
    Doch ihr wurde bewusst, dass sie ohne

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