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Das Maedchen mit den Schmetterlingen

Titel: Das Maedchen mit den Schmetterlingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Coffey
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dass es schon immer Länder gegeben hatte und nur die Grenzen verändert werden konnten, aber das glaubte sie nicht. Als ihr Vater das Schild entdeckt hatte, hatte er es abgerissen und gesagt, es sei lächerlich, sie würden damit zum Gespött des ganzen Dorfes. Seither lag das Schild unter Tess’ Kopfkissen, und sie versicherte jedem, der es hören wollte, dass sie es wieder ans Tor nageln würde, wenn ihr Vater tot war.
    Kate wollte in der Küche warten, bis die restliche Familie aufwachte. In der Nacht hatte sie ein Geräusch gehört und am frühen Morgen noch einmal. Sie wusste nicht, ob es ihr Vater gewesen war oder Seán, der wie sie unter Schlaflosigkeit litt. Sie blickte aus dem Fenster und sah Seán mit jemandem reden. Vielleicht mit dem Tierarzt, ein Kalb war erkrankt. Die beiden Männer näherten sich dem Haus.
    Mit hochrotem Kopf und besorgter Miene betrat Séan die Küche.
    »Kate, das hier ist Sergeant Mullins«, presste er hervor. »Er möchte, dass wir ihn zur Wache begleiten.«
    Noch bevor Kate fragen konnte, was passiert sei, bedeutete Seán ihr zu schweigen. Schnell kleidete sie Ben an und holte ihren Mantel. Dann hinterließ sie ihrer Schwester ein paar erklärende Zeilen, damit sie, wenn sie in das leere Haus zurückkehrte, keine abenteuerlichen Schlüsse zog.
    Auf der kleinen Polizeiwache im Dorf saßen Kate und Seán wie versteinert da, als der Sergeant ihnen erklärte, dass ein Angler die Leiche ihres Vaters am Seeufer gefunden hatte. Er war zu Tode geprügelt worden, und über ihm hatte Tess gestanden, mit der Mordwaffe in der Hand. Er hatte die Aussagen mehrerer Fischer am See eingeholt, aber jetzt würde die
Kriminalpolizei den Fall übernehmen. Er hatte versucht, ihre Schwester zu befragen, aber sie war stumm wie ein Fisch. Ihr Schweigen könne als ein Schuldeingeständnis gewertet werden, hatte er gedroht, doch sie hatte ihn offenbar überhaupt nicht verstanden.
    Kate saß da wie vom Donner gerührt und wartete, bis er ausgeredet hatte, während ihr Verstand versuchte, das Gehörte zu verarbeiten. Schließlich ergriff sie das Wort.
    »Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass Tess das getan hat! Nein, das ist ausgeschlossen! Sie muss ihn so gefunden haben. So etwas würde sie nie machen, sie ist doch völlig harmlos. Warum hätte sie das tun sollen? Niemals! Sie versteht ja gar nicht, was um sie herum eigentlich geschieht.«
    Kate ereiferte sich noch eine Weile, während Seán vollkommen stumm neben ihr saß. Das Baby spürte die Anspannung und fing an zu schreien. Sie warf Seán einen erstaunten Blick zu, dass er ihr nicht beisprang, aber er verstand ihre Geste nicht.
    »Ich habe ihr wirklich jede Möglichkeit gegeben, mir zu erzählen, was passiert ist, aber wie gesagt, Miss Byrne, sie wollte nicht reden.«
    »Manchmal reagiert sie so, das verstehen Sie nicht. Wenn sie Angst hat, dann verstummt sie. Das gehört zu ihrer Störung.«
    »Störung?«
    »Sie ist Autistin.«
    Damit konnte er nichts anfangen und trug »zurückgeblieben« in sein Notizbuch ein.
    »Kann ich zu ihr, bitte?«, bat Kate.
    »Na schön, aber nur für ein paar Minuten«, erwiderte Mullins.
    In einem kleinen, kalten Zimmer neben dem Hauptraum
der Wache schloss Kate ihre widerstrebende Schwester in die Arme. Sie durfte Tess nicht fragen, was passiert war, ein junger Polizist stand neben ihnen und passte auf. Sie durfte Tess auch nicht mit nach Hause nehmen, solange die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen waren. Schluchzend ließ sie Tess, die hinter ihr herschrie, zurück und weinte auf dem gesamten Heimweg.
    Eine Stunde später tauchte ein Kriminalbeamter auf dem Hof auf und nahm ihre Aussagen zu Protokoll. Seán hatte Kate beschworen zu sagen, dass sie den ganzen Abend zusammen gewesen seien. Er habe sich bis in die frühen Morgenstunden bei dem kranken Kalb im Stall aufgehalten, aber dafür gab es keine Zeugen. Daher sei es am besten, wenn sie einfach sagten, sie hätten den Abend gemeinsam verbracht.
    Am nächsten Tag erfuhr Kate, dass ihr Onkel Jimmy den Kriminalbeamten erzählt hatte, Seán habe allen Anlass zu der Tat gehabt, weil der Alte sich geweigert hatte, ihm den Hof zu überschreiben. Kate wurde schwindelig. Warum, um alles in der Welt, hatte er das gesagt? Damit konnte er Seán doch lebenslänglich hinter Gitter bringen.
    Alle drei Beamten, die den Fall bearbeiteten, versuchten, Tess zum Reden zu bewegen, aber sie blieb stumm. Wenn sie den See erwähnten, dann legte sie jedes Mal, ohne einen Laut von

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