Das Maedchen mit den Schmetterlingen
größten Stadion in ganz Irland, dem Croke-Park-Stadion, dass sie sich nichts aus Sport mache und die lärmenden Menschenmassen satthabe, die an jedem Spieltag an ihrer Haustür vorbeiströmten. Gerry schlug vor, dass Seán im Telefonbuch nach Dalys in dieser Gegend suchen sollte. Anstatt nach Hause zu fahren zu Kate, die seiner Mission nicht das geringste Interesse entgegenzubringen schien, machte Seán sich direkt auf den Weg nach Dublin. Er war fest entschlossen herauszufinden, wer diese Frau war und was sie über das geheime Leben seiner Mutter wusste.
Bevor er auf die Straße nach Dublin einbog, warf Seán noch einen Umschlag in den Briefkasten von Ciaran Browns Kanzlei. Darin befanden sich mehrere vom Hausarzt unterzeichnete Dokumente, die bestätigten, dass Tess nicht in der Lage war, die Farm zu führen. Außerdem der Vorschlag, dass Seán die Vormundschaft übernehmen sollte. Die Vormundschaft über seine Schwester, die ihm immer gleichgültiger wurde.
Seán saß in seinem Transporter, den er in einer Seitenstraße direkt vor dem Croke-Park-Stadion abgestellt hatte. Von einer Telefonzelle aus hatte er die Auskunft angerufen und die Adressen von zwei B. Dalys in der Cross Street erhalten, einem kleinen, engen Sträßchen mit alten Backsteinhäusern im Schatten des gewaltigen Stadions. Jetzt, wo er hier war, kam er sich ein wenig lächerlich vor. Was sollte er denn sagen? »Wissen Sie zufällig, wer mein Vater war?« »Wissen Sie, mit wem meine Mutter ein Verhältnis hatte?« Er wusste nicht, in welchem der beiden Häuser die richtige Mrs. Daly wohnte. Waren sie miteinander verwandt? Wie viel von seiner Geschichte
sollte er beim ersten Mal preisgeben, bevor sich herausstellte, dass er an der falschen Adresse war? Er entschloss sich, anzuklopfen und nach Brigid Daly zu fragen und darauf zu hoffen, dass in keinem der beiden Häuser eine Brigid Daly wohnte. Gardinen bewegten sich, vermutlich irgendwelche neugierigen alten Schachteln. Bei dem Gedanken, ohne vorherige Anmeldung an die Tür des kleinen, etwas verfallenen Häuschens direkt vor seiner Nase zu klopfen, wurde ihm mulmig.
Seán erkannte die Frau, die ihm die Tür aufmachte, sofort wieder. Das war die Frau, die er auf der Beerdigung seiner Mutter gesehen hatte, und er war erleichtert, dass er sich vielleicht nur einmal zum Narren machen musste. Brigid Daly war auffallend klein und wirkte trotz ihres leichten Übergewichts beinahe zerbrechlich. Seán setzte sofort zu einer Erklärung für seinen Besuch an, sagte, dass er etwas über das frühere Leben seiner Mutter erfahren wollte.
Brigid Daly konnte die Bestürzung, die Seáns Erscheinen bei ihr auslöste, kaum verbergen. Ihr Herz raste, und sie errötete heftig, während sie dem aufgeschossenen erregten jungen Mann zuhörte. Das war also ihr Neffe. Sie musterte ihn, wie er da auf ihrer Eingangstreppe stand, nickte und war sich schon nach wenigen Worten sicher, dass er nicht wusste, dass sie seine Tante war.
Bevor Seáns Wortschwall verebbte, bat Brigid ihn herein, um ihn den Blicken ihrer neugierigen Nachbarinnen zu entziehen. Im Wohnzimmer überließ sie Seán sich selbst und ging in die Küche, um Tee aufzusetzen. Der Wasserkessel zischte, und sie klapperte mit dem Geschirr, um den Eindruck entstehen zu lassen, dass sie sehr beschäftigt war. Sie brauchte Zeit zum Nachdenken. Wie hatte er sie bloß gefunden?
Das Pfeifen des Wasserkessels riss sie aus ihren Gedanken. Sie trug den Tee ins Wohnzimmer und setzte sich Seán gegenüber.
Das Zimmer wirkte etwas altbacken. Hinter der Tür stand eine alte Porzellanvitrine voller Keramikhündchen und staubbedeckter zierlicher Teetassen. Im offenen Kamin glühte ein kleines elektrisches Feuer, das unter gelegentlichem Ticken einen Lichtschimmer auf den abgewetzten roten Teppich fallen ließ. Vor der gegenüberliegenden Wand stand ein großes grün gemustertes Sofa. Der dazu passende Lehnstuhl befand sich direkt vor dem Fenster, daneben ein Fernseher. Seán stellte sich vor, wie sie in ihrem Sessel saß und auf die Straße hinausschaute. Ob sie ihn wohl hatte kommen sehen? Brigid spürte ihr Herz rasen und dann und wann stolpern. Seán ließ den Blick durch das Zimmer schweifen und nippte an seinem Tee. Irgendwie kam ihm das hier bekannt vor. Er glaubte, schon einmal ein Foto von diesem Zimmer gesehen zu haben, wusste aber nicht mehr, wo. Gerade, als er zu einer entsprechenden Bemerkung ansetzen wollte, unterbrach Brigid, die ihren Besucher so schnell
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