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Das Maedchen mit den Schmetterlingen

Titel: Das Maedchen mit den Schmetterlingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Coffey
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Gesicht und sein Oberkörper sind mit Blutergüssen übersät, zwei Zähne fehlen ihm auch. Angeblich hat er keine Schmerzen, aber ihr solltet euch später noch mal um ihn kümmern«, fasste eine Schwester nüchtern zusammen.
    »Wissen wir schon, was passiert ist?«, erkundigte sich jemand.
    »Er sagt, der Freund seiner Mutter hat ihn verprügelt, weil er sich geweigert hat, Zigaretten zu holen. Sie behauptet, es hätte eine Rauferei mit anderen Kindern aus dem Wohnblock gegeben.«
    Ein vielfaches »tss-tss-tss« war zu vernehmen, aber keiner sagte etwas, und man wandte sich dem nächsten Kind zu.
    Leroy blieb für den Rest des Tages verschwunden, und Tess freute sich, als er am Abend im Gemeinschaftsbereich auftauchte und sich leise neben sie setzte. Er holte tief Luft.
    »Meine Mam hat einen neuen Freund«, sagte er nur, legte die Hände auf sein geschwollenes Gesicht und verfiel in Schweigen.
    Tess wusste, dass Leroy jetzt keine Fragen beantworten wollte und schwieg. Sie war froh, ihren einzigen Freund wiederzuhaben. Ihr war augefallen, dass Leroy in seinen starken
amerikanischen Akzent zurückgefallen war, der sich in den Monaten vor seiner Entlassung deutlich gemildert hatte.
    Am nächsten Morgen beim Frühstück konnten es ein paar Kinder nicht lassen, sich über Leroy lustig zu machen, weil es schon wieder nur für einen Kurzbesuch bei seiner Mutter gereicht hatte.
    »Wo ist denn deine Ma, Leroy?«
    »Keine Ahnung«, giftete er, warf Tess einen Blick zu und errötete unter seiner hellbraunen Haut.
    »Hat ja nich’ lange gedauert diesmal, bis sie dir ‘nen Arschtritt verpasst hat, stimmt’s?«, ließ sich eine Stimme vom anderen Ende des Tisches vernehmen.
    »Halt’s Maul!«, rief Leroy. Er wurde immer wütender und hoffte, dass er den Wortwechsel beenden konnte, bevor er eskalierte. Tess durfte um keinen Preis die Wahrheit über seine Mutter erfahren, nicht, solange er sie selber nicht ertragen konnte.
    »Ach, komm schon Leroy, mach dir nix vor. Die will dich doch bloß we…«
    Leroy versetzte dem Jungen einen Stoß vor die Brust, der ihn von der Bank auf den Boden schleuderte, bevor er mit beiden Fäusten seinen Kopf bearbeitete. Zwei herbeigeeilte Schwestern gingen dazwischen und hielten die beiden fest, die immer wieder versuchten aufeinander loszugehen.
    Leroy warf Tess einen Blick zu und stellte bestürzt fest, dass die Rauferei sie in Panik versetzt hatte. Sie war aufgesprungen, kniete auf dem Boden, und schaukelte mit dem Oberkörper vor und zurück. Dabei murmelte sie irgendetwas von einem See.
    Eine Schwester zerrte an Leroys Arm und bestand darauf, dass er sich entschuldigte, und auch der Junge, dessen Nase blutete, wurde aufgefordert, sich dafür zu entschuldigen, dass
er Leroy gereizt hatte. Tess beruhigte sich wieder und verfolgte interessiert, wie die Jungen sich die Hand gaben, ihre Entschuldigungen aussprachen und sich hastig abwandten. Im Handumdrehen hatte sich die Aufregung wieder gelegt, und alle saßen friedlich am Tisch und beendeten das Frühstück. Tess musterte die anderen Kinder und die beiden Schwestern, die wieder in der Ecke standen und plauderten, als wäre nichts geschehen. Tess war fasziniert. Schnell prägte sie sich jede Einzelheit des Vorfalls ein, um sich später in der Abgeschiedenheit ihres Verstecks alles noch einmal ausführlich durch den Kopf gehen zu lassen.

Kapitel 30
    1981
    I n Wicklow warf Sam Moran noch rasch einen Blick durch die verstaubten Jalousien seines Büros, dann schnappte er seinen Mantel und machte Feierabend. In den letzten Wochen waren seine Tage alle ungefähr nach demselben Muster verlaufen. Er schrieb seine üblichen Artikel und brütete dann noch bis spätabends über seinen Recherchen im Fall Byrne, bevor er ohne Umwege nach Hause fuhr. Sein neu erwachtes Engagement für die Zeitung blieb auch seinem Arbeitgeber nicht verborgen, und er bemühte sich mehr als sonst um ein gutes Verhältnis zu Sam.
    Erst kürzlich hatte Sams Nervosität noch einmal neue Nahrung erhalten, als Mona ihm berichtet, dass sich an der Haustür ein Mann nach ihm erkundigt habe. Natürlich mutmaßte sie, dass ihr fehlbarer Gatte sich wieder einmal in Schwierigkeiten gebracht hatte, und löcherte ihn den ganzen Abend, was nicht ganz unberechtigt war. Sam war überzeugt, dass McCracken oder einer seiner Handlanger ihn seit ihrem Zusammentreffen beobachtete. Aber was konnten sie von ihm wollen? Sie kannten doch mittlerweile seinen Tagesablauf. Sam wusste auch, dass der

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