Das Maedchen mit den Schmetterlingen
Prüfungen bestanden, und ihre ganze Klasse traf sich heute Abend in einem
Hotel in Knockbeg zum Essen. Kate unterließ jede ängstliche Bemerkung und sorgte nur dafür, dass eine Kursteilnehmerin sich während des Abends für Tess verantwortlich fühlte. Ihre Freundin Peggy erklärte sich bereit, sie abzuholen und anschließend auch wieder nach Hause zu bringen.
Peggy kam und versicherte Kate, dass sie sich um ihre eigenen Töchter die gleichen Sorgen gemacht hätte, dass ihre Töchter mittlerweile verheiratet waren und ebenfalls Töchter hatten. Kate fragte sich, ob Peggy sie für Tess’ Mutter hielt und war von der molligen, vergnügten Person ein wenig irritiert. Sie wusste schon, dass die Leute ihre Sorge um Tess für übertrieben hielten. Aber keiner außer Dermot konnte das verstehen, der sich offenbar gut in ihre Schwester hineinversetzen konnte.
Da sie nicht gern alleine aß, hatte sie Dermot eingeladen, gegen Abend, wenn sie Ben zu Bett gebracht hatte. Als das Essen auf dem Herd stand, ließ Kate sich ein Bad ein, stellte sich nackt vor den Spiegel, der, so kam es ihr vor, schon immer einen Sprung gehabt hatte, betrachtete zufrieden ihre Figur und ließ sich ins warme Wasser sinken. Wo waren die Jahre seit dem Tod ihrer Mutter geblieben? Irgendwie schien es ihr, als hätte ihr Leben damals geendet und sei durch eine Existenz ersetzt worden, in der sie sich um alles und jeden kümmern musste außer um sich selbst. Kate wollte ihrer Bitterkeit keinen Raum geben. Wenn Dermot kam, sollte nichts die Stimmung trüben. So schlimm war es außerdem nicht. Bens Zustand besserte sich zusehends, und das Gesundheitsamt hatte ihr sogar angeboten, Ben für ein Wochenende in einem seiner Häuser aufzunehmen, damit sie sich ein bisschen erholen konnte, was sie allerdings noch nicht in Anspruch genommen hatte. Sie war noch nicht so weit, Ben in andere Hände zu geben. Auch Tess machte Fortschritte. Kate wunderte sich, dass
sie tatsächlich zu dem Abendessen mitgegangen war, ohne zu wissen, was auf der Speisekarte stand. Insgeheim rechnete Kate mit einem Anruf und der Bitte, sie möge doch ihre völlig verstörte Schwester wieder abholen, was Tess um Monate zurückwerfen würde.
Sie hatte ein Kleid gebügelt, mit dem sie Dermot überraschen wollte, und die gute Unterwäsche auf dem Bett bereitgelegt. Sie errötete, denn schließlich hatte sie nicht die Absicht, Dermot einen Blick auf ihre Unterwäsche zu gestatten, weder die gute noch die schlechte.
Sie musterte sich zufrieden von oben bis unten, das dunkelrote Kleid passte gut zu ihren dunklen Haaren. Sie legte ein wenig Lippenstift auf und starrte die Frau im Spiegel ungläubig an.
Dermot überraschte sie mit einem Kuss an der Tür. Sie wurde rot und kam sich vor wie ein alberner Backfisch und nicht wie die elegante Frau, die sie noch eben im Spiegel gesehen hatte. Unwillkürlich warf sie einen Blick in den Innenhof, als könnte Seán jeden Moment auftauchen und ihr den Abend verderben. Sie ließen sich Zeit beim Essen, Dermot lobte ihre Kochkünste, und Kate lachte über ihr albernes »Date«, schließlich kochte sie seit Monaten für ihn, wenn auch nicht ganz so aufwändig. Dermot hatte eine Flasche Sherry mitgebracht, obwohl er bezweifelte, dass Kate überhaupt Alkohol trank. Eigentlich mochten beide keinen Alkohol, aber um den anderen nicht vor den Kopf zu stoßen, tranken sie ein großes Glas von dem widerlichen süßen, braunen Zeug, von dem sie beide einen Schwips bekamen. Nach dem Essen schnitt Kate noch ein paar Stücke vom Kuchen ab, und sie setzten sich vor dem Kamin im selten genutzten Wohnzimmer auf den Boden und erzählten sich aus ihrem Leben. Kate ließ vieles Schmerzliche aus, worüber sie immer noch nicht sprechen mochte. Sie
sprachen auch über ihre Träume, zumindest Dermot, Kate hatte ihre schon längst begraben. Er träumte davon, einen eigenen Hof zu kaufen, und erzählte von dem Zerwürfnis mit seinem Vater. Sie war der erste Mensch in Árd Glen, der davon erfuhr, und er war sich durchaus der Bedeutung dieses Augenblicks bewusst. Sie sprachen über ihre Familien und über Kates Hoffnung, dass Seán gesund werden und den Hof führen könnte wie früher. Kein einziges Mal entstand dieses lange, peinliche Schweigen, vor dem Kate sich so gefürchtet hatte, und sie unterhielten sich, bis sich wie von selbst eine angenehme Stille einstellte und beide friedlich ins Feuer blickten. Nach einer Weile streckte Dermot den Arm aus und küsste sie auf die
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