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Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Titel: Das Mädchen und das schwarze Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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pfiff.
    »Hier entlang. Das Zelt des Karawanenführers ist dahinten.«
    Der Leiter der Karawane saß auf einem Stuhl unter seinem Vorzelt. Er war in einem jener Seidenkäfige hoch auf dem Rücken der drei ziegelroten Kamele gereist, die die Nachhut der Karawane gebildet hatten. Er war ein fetter Mann mit Bart.
    Gork erklärte auf seine unnachahmliche Weise die Situation- »Dieses Mädchen wollte zu uns, ist aber auf dem Weg hierher ausgeraubt worden. Sie hat keinen müden Pfennig, erwartet aber, daß wir sie mitnehmen.«
    »Ich fürchte, das können wir nicht tun«, erwiderte der Führer. Er machte sich nicht die Mühe, einen Blick auf einen der beiden zu verschwenden, sondern stierte in seine Büchse mit kandierten Trauben. »Du mußt für die Passage bezahlen. Schon die Verpflegung ist teuer, ganz zu schweigen von unserem wertvollen Schatz.«
    »Ihr könnt mich nicht einfach hier in der Wüste sterben lassen«, versetzte Tanaquil fest. »Nun, theoretisch gesehen wäre das natürlich gegen das Gesetz«, gab der Führer zu. Er beschäftigte sich hingebungsvoll mit seinen Trauben. Und schwieg.
    Das Piefel bewegte sich bockig an Tanaquils Seite.
    Hastig fügte Tanaquil hinzu: »Meine drei Brüder in Um wissen, daß ich mich Eurer Karawane anschließen wollte. Irgendwann, wenn sie keine Nachricht von mir aus der Stadt erhalten, würden sie wohl dem Karawanenführer einen kleinen Besuch abstatten.« »Sie ist eine Nervensäge, nicht wahr?« sprach der Leiter zu Gork. »Gib ihr dieses lahme Maultier an Wobbols Wagen. Und eine Kleinigkeit zu essen, damit sie wieder auf die Beine kommt. Und dann kann sie in ihr Dorf abschieben.«
    »Ich will nicht nach Um zurück«, erklärte Tanaquil. Sie zermarterte sich das Gehirn. »Kann ich irgend etwas tun, um mir die Passage zu verdienen?«
    »Was um alles in der Welt könntest du schon tun?« fragte der Karawanenführer, und jetzt sah er sie zum ersten Mal an, ein Blick, als habe er eine verfaulte Traube in seiner Büchse entdeckt.
    Es gab einen lauten, splitternden Krach, ein Chor von gellenden Schreien und Flüchen erscholl. Oben auf ihren Dünen keckerten die Schakale.
    Der Karawanenführer, Gork, Tanaquil und auch das Piefel wirbelten herum, um zu schauen, was passiert war. Im Schein des Feuers konnte man sehen, daß einer der Wagen ein Rad verloren hatte. Der Wagen kippte bedrohlich zu einer Seite, und der Mann, der sich an den Rädern zu schaffen gemacht, sie gesäubert und geölt hatte, lag schwach um sich strampelnd unter einem Berg von Säcken und Kisten, der ihn unter
    sich begraben hatte. Männer eilten herbei, um ihn - oder die Ladung - zu retten. »Nutzlos«, ließ sich der Führer vernehmen. »Keine Rationen morgen für diesen Kerl.« »Das Dumme ist, Boß«, setzte Gork an, »daß Wobbol der einzige war, der sich darauf verstand, Räder und anderes Zeug zu reparieren. Und wie Ihr Euch sicher erinnert, verließ Wobbol im Zorn unsere Karawane, als Ihr ihm Wagen und Ladung für ein Viertel des Marktpreises — abgekauft habt ...«
    »Ja, ja«, entgegnete der Führer. »Wir werden die Waren auf den Maultieren verstauen müssen.«
    »Die Maultiere werden die Last nicht tragen können, Boß, nicht die vielen Meilen, die noch vor uns liegen.«
    Tanaquil fühlte sich wie auf Wolken schweben. Was ihr widerfahren war, war verrückt, aber irgendwie mußte es auch richtig gewesen sein. Nun schien sich alles dazu verschworen zu haben, ihr in die Hände zu spielen. Sicherlich würde sie das Einhorn nie wieder zu Gesicht bekommen, und mit der Zeit würde sie so weit sein, nicht mehr daran zu glauben. Aber immer noch arbeitete eine Art von Magie für sie, weil sie den Mut zum Risiko gehabt hatte.
    »Macht Euch keine Sorgen«, schaltete sie sich in das Gespräch ein. »Ich kann Euer Rad reparieren.«
    »Du?« fragte Gork.
    Der Führer verzog nur das Gesicht. Er hatte verschlagene, stumpfe Augen.
    »Mach dich nicht über sie lustig, Gork. Wir werden sehen, ob sie es kann. Wenn sie es kann«, fügte er hinzu, »darf sie ohne Bezahlung mit uns reisen und essen. Aber wenn sie es nicht kann, werfe ich sie diesen Schakalen da oben vor.«
    Tanaquil zuckte die Schulter. Es lag ihr die Bemerkung auf der Zunge, daß die Schakale ohnehin eine angenehmere Gesellschaft als der Karawanenführer seien; sie verkniff es sich jedoch. Statt dessen ging sie zu dem beschädigten Wagen hinüber, das wutschnaubende Piefel auf den Fersen.
    »Räumt diese Säcke beiseite«, herrschte Tanaquil die Männer in

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