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Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Titel: Das Mädchen und das schwarze Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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konnte. Wenn überhaupt. Vielleicht hatte es ihr in der Wüste geholfen, vielleicht hatte sie sich das alles aber auch nur eingebildet. Möglicherweise hatte der Dornbusch in der kalten Höhle von allein Feuer gefangen. Möglicherweise war sie aus eigener Kraft zu der Oase gekrochen.
    Es schien ihr nun durchaus möglich zu sein, daß sie und das Piefel überhaupt nichts unter dem hohlen Felsen gefunden hatten. Daß auch auf Jaives Fest nichts schiefgegangen war, außer, daß Tanaquil eine Tür aufgestoßen hatte und fortgerannt war.
    Eines Morgens sagte sie tatsächlich zu dem Piefel: »Entsinnst du dich noch an den sternenschimmernden Knochen, den du gefunden hast?«
    »Knochen?« sagte das Piefel erfreut. »Wo?«
    Und ein vorbeikommender Kaufmann, der sich Luft zufächelte, starrte das Piefel an und machte das Zeichen gegen böse Geister.
    Es war der neunzehnte Tag von Tanaquils Reise mit der Karawane, und ein wundervoller Sonnenuntergang entflammte den Himmel, glühte zinnoberrot und bernsteinfarben, und die Wolken im Westen trieben dahin wie Lavaflügel. Allgemein nahm man an, daß sie am nächsten Abend die Stadt erreichen würden. Alles war höchst zufrieden, und die Knechte hatten Tanaquil den ganzen Tag über ziemlich haarsträubende Geschichten über die Stadt erzählt. Es hieß zum Beispiel, der Fürst der Stadt besitze einen fünfzehn Stockwerke hohen Palast aus weißem Marmor. Tanaquil nickte höflich.
    Am Nachmittag waren sie an einem großen Obelisken vorbeigekommen, auf dessen Spitze ein Bronzepfeil in Richtung Westen wies. Das Gebet auf dem Obelisken lautete: Wir danken Gott, der uns sicher zur Meerstadt geleitet.
    Die Wüste wandelte sich. Niedrige Felsklippen ragten nun aus den Sanddünen hervor, und auf den Felsen wuchs trockenes, braunes Gestrüpp und hier und da ein verkrümmter, wilder Baum. Als das Licht purpurn wurde, erreichten sie gerundete Hügel mit einzelnen Baumgruppen grüner Zedern. Herden grasten, und überall standen kleine Ansiedlungen, eine nach der anderen, und ihre Feuer und Lampen brannten wie zur Erde gefallene Stücke des roten Himmels.
    Der Karawanenführer stieg aus seiner Sänfte auf den Rücken eines Maultiers um. Er ritt an der Spitze der Karawane, Gork ging neben seinem Reittier. »Wir werden die Nacht an der Hornquelle verbringen«, gab der Führer mit formelhafter, sirupartiger Stimme von sich.
    Tanaquil spürte in ihrem Innern etwas, das sich wie das Reißen eines Vorhangs anfühlte.
    Sie wandte sich an Fuß, einen der Karawanenknechte.
    »Warum heißt der Ort Hornquelle?«
    »Eine heilige Legende der Stadt«, beschied sie Fuß.
    »Eine unwissende Dörflerin wie ich«, schmeichelte sie, »hat davon noch nichts gehört.« »Nein«, schnaubte Fuß. Er entschloß sich, nett zu ihr zu sein. »Man erzählt, ein Fürst der Stadt sei dorthin gekommen. Es war ein sehr sandreiches Jahr, er war vor Durst schon ganz ausgetrocknet. Er bat den Gott um Wasser, und ein wildes Wesen galoppierte aus der Wüste zu ihm und spaltete einen Felsen mit seinem Horn, und aus diesem Spalt schoß Wasser hervor. «
    »Wie praktisch«, urteilte Tanaquil. Die Haare auf ihrem Kopf standen zu Berge.
    »Paß auf, dein komisches Tier ist schon wieder in der Seife«, ermahnte sie Fuß.
    Der Himmel war weinrot, wurde immer blasser. Die Karawane wand sich einen staubigen Pfad hoch, bis sie auf dem Gipfel eines kahlen, dunklen Hügels standen. Oben endete der Hügel in einem spitzen, gewaltigen Steinblock, der einem Schornstein glich. Unterhalb des Felsens befanden sich ein Gehölz mit Bäumen und ein weiterer Brunnen mit einer steinernen Umfassung, alles andere als atemberaubend. Der Führer stieg von seinem Maultier, begab sich zu dem Brunnen und dankte dem Gott für die sichere Ankunft der Karawane.
    Man schlug das Lager unterhalb des Wäldchens auf und schöpfte Wasser aus dem Brunnen. Fuß riet Tanaquil, etwas davon zu trinken, da es gesundheitsfördernd sei und überdies angeblich Wünsche erfüllte. , Trotzdem sah sich Tanaquil den Brunnen nicht an. Es war nun dunkel, wurde kalt, und der Schnee peitschte auf den Schwingen eines flatternden Windes herbei, der bald nach Sonnenuntergang aufgekommen war.
    Tanaquil ließ sich in der Nähe eines Feuers nieder und vertilgte ihre Tagesration, die sie mit dem Piefel teilte. »Was werden wir in der Meerstadt tun?« fragte sie das Tier, um hastig hinzuzufügen: »Sag nichts, Gork ist hier.«
    »Böse«, sagte das Piefel.
    »Dieses Vieh hat wirklich eine sehr

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