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Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Titel: Das Mädchen und das schwarze Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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säuerliches Lachen hören. »So etwas gibt es nicht.«
    Sie dachte: » Er würde an etwas Übernatürliches und Böses glauben, aber nicht an die Pracht eines Einhorns.«
    Der Kaufmann Pudit hatte sich der Gruppe genähert. Er sagte: »Für Hexen gibt es nur eins. Sie muß gesteinigt werden.«
    »Klingt vernünftig«, pflichtete der Karawanenführer ihm bei. Dann jaulte er auf, sprang hoch und nieder und trat mit dem linken Bein, das eine braune Pelzhose hatte, in die Luft.
    Man eilte ihm zu Hilfe. Das Piefel, das seine Zähne nur widerwillig löste, sprang mit einem zornigen Knurren den Kaufmann Pudit an. Es biß ihn mehrmals, während Pudits Diener, die ihm beistehen wollten, das Piefel mit ihren Knüppeln zu treffen versuchten und ihren Herrn dabei an Armen und Brust prügelten.
    Tanaquil war sich nicht sicher, ob das Piefel die Männer bewußt abgelenkt hatte, so daß sie entkommen konnte. Sollte dem so sein, war der Plan fehlgeschlagen, denn Fuß und ein anderer Mann hatten sie an den Armen gepackt und hielten sie fest.
    Nach ein paar Augenblicken unglaublichen Lärms und Krachs ließ das Piefel ohnehin los und gab Fersengeld. Es schlängelte sich zwischen Beinen und niedersausenden Knüppeln hindurch und verschwand den Hügel hinunter, schneller als ein kullernder Stein.
    »Hat bis auf den Knochen durchgebissen«, erklärte der Karawanenführer. »Dieses Vieh ist ihr Vertrauter.«
    Tanaquil bemerkte, daß es eine Vielzahl von Steinen auf dem Hügel gab und daß einige der Männer damit begonnen hatten, sie aufzusammeln.
    Sie sah gelähmt zu.
    Dann zwängte sich Gork durch die Menge, kam herüber und baute sich vor seinem gebissenen Boß auf, die ganze Zeit klingelnd und klimpernd und, tok-tok-tok, mit seinem Stock gegen den Stiefel klatschend.
    »Es ist nicht gut, sie zu töten«, sagte Gork. »Das bringt kein Glück.«
    »Unsinn«, polterte der Gebissene. Doch die Männer mit den Steinen zögerten.
    »Erinnert Ihr Euch nicht mehr an das letzte Jahr?« fragte Gork.
    Es folgte ein langes Schweigen. Was auch immer letztes Jahr geschehen sein mochte, die Männer erinnerten sich offensichtlich noch sehr gut daran.
    »Das war«, entgegnete der Führer und tätschelte sein Bein, »etwas ganz anderes.«
    »Nun, ich für mein Teil«, setzte Gork fort, »werde nicht in einer Karawane reisen, die unter dem Todesfluch einer Hexe steht. Und meine Männer auch nicht. Richtig, Jungs?«
    Es gab das Geräusch von mehreren dumpfen Aufprallen, als die Männer ihre Steine fallen ließen.
    »Nun gut«, lenkte der Führer träge ein.
    »Wir jagen sie fort«, schlug Gork vor. »Laßt sie abhauen und in den Hügeln mit ihren Dämonen reden.« Sein Vorschlag wurde mit herzhafter, allgemeiner Zustimmung belohnt. Gork wandte sich an Fuß und den anderen Mann: »Ich würde sie nicht anfassen, wenn ich in eurer Haut steckte. Wer weiß, was das Luder als nächstes tut.« Dann kam er zu ihr herüber und näherte sein Gesicht dem ihren. Gork zwinkerte. Dann schrie er: »Troll dich, du dreckige Hexe.« Und er verpaßte ihr einen leichten Stoß. Tanaquil nickte. Sie drehte ihnen den Rücken zu und floh den Hügel hinunter, und die Männer wichen vor ihr zurück, manche beschimpften sie noch- Ein Wurfgeschoß prallte dicht hinter ihr auf den Boden, aber es war nur ein Erdklumpen.
    Während sie rannte, dachte sie an das nützliche kleine Messer und die Zunderbüchse, zwei Dinge, die sie Fuß im Austausch für ihr zerrissenes Seidenkleid abgehandelt hatte. Und sie dachte, daß Gork aller Wahrscheinlichkeit nach soeben ihr Leben gerettet hatte. Und daß das Einhorn, das ihr in der Wüste noch das Leben gerettet hatte, ihr heute nacht einen üblen Streich gespielt, sie aus der friedvoll lauernden Gefahr und Unsicherheit aufgeschreckt hatte.
    Tanaquil suchte diese Nacht in einer Höhle in den Felsen Unterschlupf, nachdem sie soviel Abstand wie nur eben möglich zwischen sich und die Karawane gebracht hatte. Büsche verdeckten den Höhleneingang und das Feuer, das sie entzündet hatte. Hin und wieder überfiel sie der unwiderstehliche Drang, mit einem Ast ins Feuer zu stochern und den Karawanenführer, Pudit, Fuß und bestimmte andere Männer mit einer Reihe lebhafter Flüche zu belegen. Durch ihr Gemurmel und den Feuerschein fand das Piefel in den frühen Morgenstunden seinen Weg zu ihr. Es hatte ein kleines Nagetier erlegt, das sie entschuldigend für sie beide im Feuer röstete. Dem Piefel schien die eigene Treue irgendwie gleichgültig zu

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