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Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Titel: Das Mädchen und das schwarze Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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wurde.
    Tanaquil machte purpurfarbenen Samt und eine Brustplatte aus Gold und Juwelen aus. Es würde sogar noch heißer, obwohl vermutlich nicht ganz so kratzig wie Spitze sein. »Sieh es dir ruhig an«, gestattete der Fürst. Er sprach mit Tanaquil. Kalt wie Schnee, aber auch protzig. Höflich durchquerte sie den Raum und blieb vor dem Gestell stehen. »Die Stadt erweist dem Meer ihre Ehrerbietung. Und deshalb ist der Mantel aus den Häuten von siebzehn Haien gefertigt«, erklärte er. »Und mit den Zähnen von zwanzig Delphinen gefranst.« Wie schade, daß sie ihn nicht mehr beißen konnten! Tanaquil betrachtete die Kleider mit düsterem Blick. Und sah, daß der Mantel an jeder Schulter durch eine schimmernde, milchweiße Spiralwindung an der Brustplatte befestigt war. Fossilien - und in solcher Größe und Perfektion, daß es sie sehnsüchtig danach verlangte, sie loszureißen.
    »Nett«, sagte das Piefel. Es starrte auf dieselbe Stelle wie sie. »Schnecken.«
    »Nein«, befahl Tanaquil. Sie zerrte das Piefel herum und ging zu einer Bücherwand hinüber. Das Piefel ignorierte mit hochmütiger Miene das Flattern der Automatenschmetterlinge.
    Zorander stand derweil mit seiner Tochter an einem Tisch und redete in einem leisen, entsetzlich ernsten Tonfall auf sie ein. Sie strahlte ihn an und zwitscherte lebhaft zurück. Beide waren sie völlig angewidert von der Persönlichkeit des anderen. Tanaquil spürte wieder diese Übelkeit in sich aufsteigen — für Lizra, für sich selbst.
    Dann machte Gasb sich an sie heran. Er humpelte, vielleicht von dem alten Beinbruch, doch das machte ihn nur um so ekelerregender.
    »Schön, schön. Prinzessin Tanaquil, aus Erm. Wie nachlässig ich bin. Ich kann mich doch tatsächlich nicht an Erm erinnern. Wo liegt es?«
    »Eine Stadt in der Wüste«, entgegnete Tanaquil.
    »Ah. Das weckt jetzt meine Erinnerung. Wißt Ihr, es gab einmal eine Prinzessin Yilli von den Straßenkehrern. Habt Ihr schon von ihr gehört?«
    Tanaquil war sanft und ein klein wenig ahnungslos. »Nein, ich fürchte nicht.«
    »Auch gut, vermutlich. Ich schlage nur vor, Prinzessin , daß Ihr immer daran denkt, daß vieles toleriert wird — außer Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit.«
    Das Piefel gurgelte heftig.
    »Es spricht, nicht wahr?« erkundigte sich der Kanzler.
    »Wrrr«, machte das Piefel und bleckte die Zähne.
    »Garstiges kleines Vieh«, grinste Gasb. »Vielleicht sollten wir einen braunen Pelzmuff aus dir machen.«
    »Wir in Erm haben eine Sprichwort«, platzte es aus Tanaquil heraus, bevor sie sich zügeln konnte, »tritt nie einen Mann, der eiserne Stiefel trägt.«
    Gasb reckte sich empor. »Und wer steckt in diesen Stiefeln? Ihr?«
    »Ich?« zwitscherte Tanaquil mit Unschuldsmiene.
    »Gasb«, rief der Fürst. »Laß uns nun auf die Vogeljagd gehen.«
    Gasb, der Geier, schlängelte sich durch den Raum, begierig auf noch mehr Federn. Lizra, die blaß aussah und schmollte, trat zu Tanaquil. Sie flüsterte: »Wir können die Terrassentreppe hinunter zu den Ställen auf dem mittleren Dach gehen. Wenn wir uns als Stallburschen verkleiden, können wir mit einem Streitwagen ausfahren.«
    »Was hat er dir gesagt, das du tun sollst?«
    »Für das Gelingen des Festes beten.«
    Fürst Zorander und Berater Gasb hatten den Raum verlassen.
    Die beiden Mädchen und das Piefel blieben allein in der sonnendurchfluteten Bibliothek. Die Präsenz der beiden Männer war indes noch überall spürbar.
    »Ich habe dich noch gar nicht danach gefragt«, setzte Lizra an, »sag mal, hast du eigentlich eine Mutter?«
    »Ja.«
    »Du hast Glück«, sagte Lizra. -
    »Ich habe Glück, daß ich sie verlassen habe.« »Meine hat mich verlassen«, erklärte Lizra. »Ich könnte sie dafür umbringen, daß sie gestorben ist.«
    Als Stallburschen verkleidet, fuhren Lizra und Tanaquil einen kleinen, schlichten Ponystreitwagen eine Rampe hinunter, am Rande der Gärten entlang und in die Stadt hinein. Nach drei oder vier spektakulären Prachtstraßen kamen sie in schäbigere Gegenden. Tanaquil sah die schmutzigen Hütten und Verschlage, die stinkenden Abwässerkanäle wieder. Dann kamen sie in ein Viertel, wo die Stadtmauer ganz niedrig war und in Ruinen lag, und passierten sie durch ein unbewachtes Tor. Lizra lenkte den Streitwagen eine oberhalb des Strandes verlaufende Promenade entlang. Verkrüppelte Palmen wuchsen zu Seiten der Straße, und rechterhand glitten die Dünen ins Meer hinunter. Einige wenige Häuser standen noch

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