Das Maedchen und der Magier
die Hand nicht wegzuschieben. „Lassen Sie uns in Ruhe, Lady, sonst wird es Ihnen noch leid tun."
Äußerlich ganz ruhig griff sie nach dem Telefonhörer. „Hallo, hier ist Jenna Grey bei
,Traumhochzeit'. Wir haben hier einen Eindringling, der ..."
Gil riss die Schnur aus der Wand. Der Apparat segelte über den Schreibtisch und landete neben Chase' Füßen. Jenna zuckte zusammen, aber Chase tat, als wäre nichts passiert. Sie wartete darauf, dass er Gil packte oder ihm einen Kinnhaken verpasste, aber Chase blieb ruhig stehen.
Das wolltest du doch, nicht wahr, Jenna? Du hast ihm gesagt, er soll sich heraushalten.
Aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass er es wirklich tun würde.
„Legen Sie sich nicht mit mir an, Lady", schrie Gil.
Sie stand auf. „Soll das eine Drohung sein?"
„Nehmen Sie es, wie Sie wollen. Aber stellen Sie sich nicht zwischen mich und Rosa." Gil stürmte hinaus. Sekunden später knallte die Hintertür zu.
„Den sind wir los", sagte Jenna zufrieden. Sie zitterte wie Espenlaub. „Ich hoffe, Rosalia kehrt nie zu ihm zurück."
„Du hast Mut, Lady", meinte Chase. „Du bist leichtsinnig, aber du hast Mut."
Sie erwiderte nichts. Sie fühlte sich enttäuscht, als hätte er ein Versprechen gebrochen oder sie irgendwie im Stich gelassen. Dabei hatte er genau das getan, was sie von ihm verlangt hatte - nämlich überhaupt nichts.
„Bist du in Ordnung?" Grace erschien in der Tür. „Ich habe die Polizei verständigt."
„Sag ihnen, dass sie nicht mehr zu kommen brauchen." Jenna wehrte sich gegen die Melancholie, die sie befiel. „Gil ist weg, und zwar für immer, da bin ich sicher."
Grace schnupperte: „Duftet gut", sagte sie. „Ich hätte nicht gedacht, dass ein so mieser Kerl ein so tolles After-shave benutzt."
„Danke." Chase lächelte. „Aber das ist mein tolles After-shave", sagte er.
„Was für eine Verschwendung", seufzte Grace.
Chase warf Jenna einen Blick zu, doch sie reagierte nicht. Die ganze seltsame Sache mit der Mine und dem Fluch und dem unsichtbaren Mann war nicht mehr lustig. Sie wollte nichts mehr damit zu tun haben. Sie wollte, dass Chase aus ihrem Leben verschwand, bevor sie sich noch mehr in ihn ...
„Die Polizei", unterbrach Jenna hastig ihre unerwünschten Gedanken. Sie hatte Kopfschmerzen und wollte allein sein. „Du rufst sie jetzt besser an."
„Mache ich", erwiderte Grace, drehte sich aber noch einmal um. „Wie konnte ich das vergessen? Wir hatten einen Anruf von Lido Tours. In etwa einer Stunde landet ein Großraumjet aus Tokio, und die Hälfte der Passagiere sind Verlobte, die unbedingt in Las Vegas vor den Altar treten wollen. Wie es aussieht, wird ,Traumhochzeit' schon in der ersten Woche Gewinn abwerfen."
Jenna sah zu Chase hinüber, der gerade das rechte Knie beugte und einen romantischen Heiratsantrag nachmachte.
Wenn ich bis dahin nicht durchdrehe, dachte sie.
8. KAPITEL
Der Nachmittag verlief hektisch.
Die meisten Paare aus Tokio sprachen kein Wort Englisch, und Jenna musste einen Geistlichen auftreiben, der genug Japanisch konnte, um vierzig einigermaßen verständliche Trauungen zu vollziehen.
Dann kam das erwartete Problem mit der Klimaanlage, der unerwartete Ausfall der Spülung in der Herrentoilette und schließlich Jennas Erkenntnis, dass ihr Leben hoffnungslos durcheinander war und sie nichts dagegen tun konnte.
Irgendwann nach den Hochzeiten der Japaner fragte sie Chase nach der Mine, aber er löste sich vor ihren Augen in Luft auf. Die Panik schnürte ihr die Kehle zu. Bisher hatte sie ihn immer noch hören und sein After-shave riechen können, aber diesmal schien er plötzlich nicht mehr zu existieren.
Sie wollte gerade einen Angstschrei ausstoßen, da tauchte er direkt vor ihr auf.
„Was ist passiert?" fragte sie und tastete nach seinem Arm.
„Du hast mich vermisst", sagte er lächelnd. „Irgendwie habe ich das nicht erwartet."
Offensichtlich wurde er übermütig, eine flapsige Bemerkung folgte der anderen, was ihre Unruhe noch mehr steigerte.
Eins stand fest. Sie musste diese unerträgliche Situation beenden, bevor sie den Verstand verlor. Es gab einen Ausweg. Den, von dem Chase immerzu sprach: Heirat.
Das hatte sie sich immer gewünscht, und jetzt war es nichts als eine Farce.
Sie hatte sich immer nach einem Zuhause und einer Familie gesehnt. Verlangte sie zuviel vom Leben? Gab es ein Geheimnis, das sie nicht kannte? Ein Losungswort, das jede Mutter ihrer Tochter mitgab, nur ihre ihr nicht? Es musste
Weitere Kostenlose Bücher