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Das Mädchen und der Zauberer

Das Mädchen und der Zauberer

Titel: Das Mädchen und der Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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knurrte nur noch wie ein böser Hund, holte die Leiter, kletterte bis an die Decke, fing an zu schwanken und stürzte um! Dr. Plicard sagt sofort: Oberschenkelhalsbruch!« Sie schluchzte wieder tief auf. »Dazu sein schwaches Herz. Wenn Papa das nur überlebt.«
    Coulbet drückte sein Mitleid aus, klopfte gegen seine Brusttasche und sagte dann: »Jiuliette, ich möchte ein Kistchen Ambassadeur.«
    Sie wischte sich die rotgeweinten Augen, putzte sich die Nase und biß die Lippen zusammen. »Ambassadeur? Sind das Zigarren, Monsieur Coulbet?«
    »Und was für welche!«
    »Diese Marke führen wir nicht, Monsieur.«
    »Rätselhaft.« Coulbet holte aus der Tasche die gerade angerauchte Zigarre und hielt sie Jiuliette hin. »Das ist sie. Ein guter Freund hat sie bei euch gekauft. Sagt er.«
    »Unmöglich! Monsieur, ich kenne jede Schachtel in unserem Geschäft. Wir haben nie die Marke gehabt. Wie hieß sie?«
    »Ambassadeur.«
    »Ganz sicher nicht.«
    »Irrtum ausgeschlossen?«
    »Völlig ausgeschlossen.«
    »Es ist merkwürdig«, sagte Coulbet und steckte die Zigarre wieder in seine Brusttasche. »Tatsächlich.«
    »Was ist merkwürdig, Monsieur?«
    »Die alte Wahrheit, die nie ausstirbt: Der klügste Verbrecher macht einen Fehler!« Er tätschelte Jiuliette tröstend die Hand und kaufte aus lauter Höflichkeit eine Schachtel schwarzer Zigaretten, von denen man behauptet, daß sie auch zur Vernichtung von Fliegen verwendet werden können. »Ich werde den Papa besuchen. Keine Angst, Jiuliette, Papa ist ein zäher Bursche. Nicht den Kopf hängen lassen.«
    Von der Rue Blénac bis zur Pier in der Baie du Carénage waren es knapp zehn Minuten Autofahrt, rund um den Park herum. Das Schiff aus San Juan war noch am Quai, – es sollte am nächsten Morgen auslaufen, zurück nach Puerto Rico, die Inselkette wieder abklappernd. Es bunkerte gerade Frischwasser, Treibstoff und Frischgemüse, Obst und Konserven. Die Passagiere sollten erst morgen früh an Bord kommen.
    Coulbet hielt vor der Gangway, zeigte der Bordwache seinen Polizeiausweis und fragte: »Wo kann man hier Zigarren kaufen?«
    »Bei uns, Monsieur le Commissair?« stotterte der Matrose, von dieser Frage angeschlagen. »Gibt es auf Martinique keine Zigarren mehr?«
    »Wo?!« fragte Coulbet knapp.
    »Wir haben zwei Bars, Monsieur. Die haben auch Zigarren. Aber die Bars sind jetzt nicht besetzt. Die Mannschaft hat Landgang. Bis Mitternacht. Die Mädchen hier, Monsieur …« Er schnalzte mit der Zunge, seine Augen glänzten.
    Coulbet nickte wissend, betrat das Schiff und suchte die beiden Bars. Die eine öffnete sich zum Schwimmbecken auf dem Sonnendeck, die andere lag hinter dem Gesellschaftssaal auf dem Hauptdeck. Wie die Wache gesagt hatte: Niemand war zu sehen, verlassen lag die Bar am Schwimmbecken unter der bunten Markise, die Glasvitrinen mit den Gläsern und hochprozentigen Flaschen waren abgeschlossen. An der linken Seite war die Rauchabteilung: Zigaretten, Zigarillos, Tabak, Zigarren.
    Und da lag es, das Kistchen mit den Ambassadeur, das Coulbet bei Totagan in der Hand gehalten hatte. Hinter Glas verriegelt, abgeschlossen.
    Eine halbe Stunde lief Coulbet durch das Schiff, um jemanden zu finden, der die Glastür aufschließen konnte. Er fand keinen. Alles war an Land, vom Barmixer bis zum Zahlmeister. Wer verlangt auf einem leeren Schiff schon Zigarren?
    Coulbet tat darauf etwas, was eines Polizisten unwürdig ist: er kramte aus seiner Tasche ein Spezialwerkzeug, das aussah wie eine gezackte Haarklammer, und hatte innerhalb von neunzehn Sekunden das Schloß der Glasvitrine geknackt.
    Er nahm ein Kistchen Ambassadeur heraus, las in der beiliegenden Liste nach, was sie kostete – 300 Francs für zehn Stück, allerhand, das kann sich ein Beamter kaum leisten, aber so ein Geisterheiler, der hat's ja – legte die 300 Franc korrekt in die Vitrine, schloß sie mit seinem Spezialschlüssel wieder ab und verließ das Schiff in dem leicht quälenden Bewußtsein, eine unerlaubte Handlung begangen zu haben. Immerhin hatte er bezahlt. Das muß man anrechnen!
    Später saß er dann im Café La Rondelle auf dem Boulevard Alfassa, rauchte die angebrochene Zigarre von Jules zu Ende und trank einen Apéritif, einen aufmunternden Ricard. Nun habe ich dich, mein Zauberlehrer, dachte Coulbet zufrieden. Die Polizei ist nicht so dumm, wie alle glauben. Nein, die Polizei von Martinique kann sogar stolz sein: Bisher hat sie 95 Prozent aller Verbrechen aufgeklärt, solange es sich nicht um

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