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Das Mädchen und der Zauberer

Das Mädchen und der Zauberer

Titel: Das Mädchen und der Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Dann erst trat Coulbet heran und schüttelte Petrus Balaquer.
    Später schrieb Coulbet in sein Protokoll: »Petrus schlug die Augen auf, richtete seinen Oberkörper auf und lächelte uns friedlich an. Dann erhob er sich, zog den Hahnenkadaver von seinem Kopf, ging ins Meer bis zum Hals, wusch Blut und Algen von sich, kam zurück an den Strand und sagte: ›Wer bringt mich zu meiner Mama?‹ – Es war schwer, ihm zu erklären, daß seine Mutter schon acht Jahre tot sei. Petrus weinte wie ein Kind und ließ sich ohne Schwierigkeiten zurück zur Clinique bringen. Hier stellten die Ärzte in eingehenden Untersuchungen fest, daß Petrus Balaquer geheilt sei. Keine Anzeichen von Irrsinn mehr. Medizinisch ein Rätsel. Auf Befragung teilte Danielle Paquier mit, sie habe Petrus nur mit alten überlieferten Hausmitteln behandelt. Er sei zu ihr gekommen und habe zu ihr gesagt: ›Hilf mir!‹ Und das hätte sie getan. Mehr war nicht zu erfahren.«
    Für Coulbet war es kein Rätsel. Man sollte nicht mit weißer Borniertheit den Voodoo belächeln, das war seine Erkenntnis. Was man nicht erklären kann, gibt es doch! Hier, in der Karibik, lernt man es, wenn man nur lernen will! Aber wer will das? Mit dem Begriff billiger Zaubertrick kommt man hier nicht aus.
    Ich werde mit René Birot sprechen, dachte Coulbet. Er muß seiner schönen Frau erklären, was ein Voodoo ist. Und wenn er sich auch dagegen wehrt, es bleibt keine andere Wahl: Sie muß wissen, wo sie lebt! Und wenn das ganze Paradies zusammenfällt.
    Coulbet bestellte noch einen Ricard, genehmigte sich dazu eine Rosinenschnecke, die der deutsche Bäcker im Café La Rondelle eingeführt hatte und die ein Schlager geworden war, schon wegen der eingerollten Marzipaneinlage, und bestätigte sich, daß er mit dem heutigen Tag zufrieden sein konnte.
    Er ließ den Tag noch einmal vor sich ablaufen und verhielt bei einer Begegnung, die er erst jetzt überdenken konnte.
    Auf dem Rückweg von Totagan hatte er einen Umweg gemacht und war in die Gegend von Piton Marcel geraten, einem der Abbrüche des Mont Pelée, eine wilde Gegend mit von Urwald überwucherten Felsen, 1.017 Meter hoch, feindlich gegen den Menschen, unbewohnt, nur von schmalen Wegen durchzogen, über die man die Edelhölzer wegzurrte, die einmal im Jahr hier geschlagen wurden.
    Hier, völlig allein, bei einer Hütte aus Stämmen und Palmenblättern, traf Coulbet auf einen Mann, den er vor knapp einem Jahr einmal in der Präfektur begrüßt, aber dann völlig vergessen hatte. Er hieß André Casarette, war Geologe, kam aus Orléans und untersuchte im Auftrag der Regierung in Paris die noch nicht genau erfaßten Gebiete im Hochland von Martinique.
    »Hier gibt es kein Öl!« hatte Coulbet damals lachend gesagt. »Was wollen Sie hier suchen, André?«
    »Nichts! Ich fertige nur einen geologischen Atlas an.«
    »Und wem soll der was nützen?«
    »Der Vulkanforschung, Robert.« Casarette, ein stiller, höflicher Mensch von 39 Jahren, braune Locken, blaue Augen, mittelgroß und muskulös, lächelte verzeihend. »Die Katastrophe vom 8. Mai 1902 soll sich nicht wiederholen.«
    »Der Berg ist still.«
    »Aber nicht tot! Das ist es! In der Tiefe lebt er! Wer weiß, was man alles noch finden kann.«
    Das war vor einem Jahr gewesen. Seitdem hatte Coulbet nichts mehr von André Casarette gehört. Geologen gehören nicht unbedingt zum Interessenbereich der Polizei. Nun aber traf Coulbet auf Casarette und hielt seinen Jeep an. Der Geologe kam aus einem Felsenstollen, als er den Wagen hörte, und sah aus wie ein Bergarbeiter. Nur war er nicht schwarz von Kohle, sondern steingrau von Felsenstaub. Neben der primitiven Hütte parkte ein japanischer Geländewagen.
    »Besuch!« sagte Casarette, nahm den Schutzhelm mit der eingebauten Stirnlampe ab und kam näher. »Sie können sich bei mir sehr beliebt machen, wenn Sie eine Flasche weißen Rum bei sich haben, Monsieur. Oder ist die Polizei abstinent?«
    »Im Dienst immer!« Coulbet stieg aus und gab Casarette die Hand. »Daß ich Sie noch mal sehe! Ich habe gedacht, Sie seien längst wieder im schönen Paris.«
    »Das dachte ich auch. Aber Martinique hat mich mit Haut und Haaren gefressen. Die Insel, der Rum, die herrlichen Mädchen, das kreolische Essen, ich bin verloren für die übrige Welt! Aber das ist ja nichts Seltenes auf Martinique.«
    »Und was macht Ihr Vulkan?« Coulbet zeigte auf den Stolleneingang. »Hören Sie schon das Gluckern der Lava?«
    »Das wäre dramatisch! Da käme

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