Das Mädchen und der Zauberer
Pardon, Jeanette.«
Darauf wußte sie keine Antwort. Sie starrte vor sich hin, preßte die Lippen zusammen und strahlte tiefe Beleidigung aus. Sei stark, dachte sie dagegen im Inneren. Jeanette, laß dich nicht einfangen. Aubin ist so ein verdammter Kerl, an dem du hängenbleiben könntest. Bloß das nicht! Wehr dich dagegen, Jeanette. Zum Teufel, wehr dich!
Um die gleiche Zeit schrie Marie Lupuse auf Bataille ein und zertrümmerte mangels anderer, massiver Zerbrechlichkeiten die Sektgläser auf dem Tisch.
»Sie kommt nicht an Bord!« kreischte sie hysterisch. »Dieses rothaarige Hürchen! Ich warne dich, Roger! Ha, ich warne dich! Ich weiß vieles. Verstehst du, was ich meine?!«
Bataille schwieg. Wortlos blickte er über die herrliche Bucht von Fort de France und ließ Marie toben. Das hättest du nicht sagen dürfen, Chérie, das war eine Drohung! dachte er. Einem Bataille droht man nicht. Das kann tödlich sein. Auch wenn ich dich schönes Aas liebe, drohen sollte man mir nie.
Er legte sich in dem Liegestuhl zurück, schloß die Augen und ließ Marie schimpfen.
Nach zehn Minuten begann sie zu weinen.
Na also, dachte Bataille zufrieden. Nun sind wir wieder normal. Ich kaufe dir morgen oder übermorgen in Fort de France einen Ring, wenn das andere endlich erledigt ist.
Babou hatte den weißen Citroën auf Hochglanz poliert, als Petra und René vor das Haus kamen, um die Inselrundfahrt zu starten.
Für Petra war alles noch so unwirklich, so traumhaft, so paradiesisch, daß sie beim Frühstück auf der Terrasse am Schwimmbecken sagte: »Laß uns noch etwas sitzen bleiben, René, bitte. Es ist alles wie ein Wunder. Das muß ich erst begreifen lernen, daß man Wunder anfassen kann und daß sie Wahrheit sind.«
Nach einer seligen Nacht mit René hatte sie erfahren, was es heißt, eine Herrin zu sein. Rosette, ihre zierliche, hübsche Zofe, hatte sie vor dem Schlafzimmer in Empfang genommen, und von da ab hatte sie eigentlich keinen eigenen Willen mehr gehabt. Sie wurde gebadet, mit exotischen, stark duftenden Ölen eingerieben und massiert, sie wurde frisiert, ihre Fuß- und Fingernägel wurden geschnitten, gefeilt und lackiert, und als Rosette sie endlich freiließ zum Frühstückstisch, fühlte sie sich wie konserviert.
René saß schon am Tisch unter der Markise, der Diener hatte gerade den eisgekühlten Maracujasaft serviert, frische Croissants dufteten in einem Flechtkorb, begleitet vom Geruch eines starken Kaffees. René sprang sofort auf, kam Petra entgegen und küßte sie.
»Sag einen Wunsch – er wird dir sofort erfüllt!« rief er übermütig. »Ich bin der glücklichste Mann der Welt.«
»Ich wünsche mir«, sagte sie sofort, »daß man erkennt, daß ich kein Säugling mehr bin, der gebadet, gewickelt und gepudert werden muß.«
»Rosette!« René lachte schallend. »Das ist ihre Auffassung von Betreuung. Madame muß gepflegt und geschont werden. Davon ist sie nicht abzubringen.«
»Sie hat das schon oft gemacht, nicht wahr?« Es sollte wie eine gleichgültige Frage klingen, aber René hörte genau den Unterton heraus.
»Eifersüchtig?« fragte er und umarmte sie.
»Ja. Wahnsinnig.«
»Auf die Vergangenheit?«
»Auf jede Frau, die du im Arm gehalten hast, wie jetzt mich.«
»Ich habe nie die Begabung gehabt, als Einsiedler oder Heiliger zu leben.« René Birot streichelte ihren Rücken. Wenn seine Hand über ihr Rückgrat strich, jagte ein Schauer durch ihren Körper und machte sie fast willenlos. »Ein Mann mit achtunddreißig Jahren sollte schon ein Bündel Erfahrungen haben … oder mit ihm stimmt etwas nicht.«
»Und … und wer war die letzte?«
»Du! Und die allerletzte! Wie man so sagt: Du wirst meine Witwe sein.«
»Mein Gott, sprich so etwas nicht aus!« sagte sie entsetzt. Sie drückte die Hände gegen seine Brust, und er ließ sie lachend los. »Waren sie hübsch, die anderen?«
»Sehr! Die Karibik ist die Welt der schönen Frauen. Sie werden nur noch übertroffen von den Singapur-Chinesinnen, dieser verteufelten Mischung von Malaien und Chinesen.« Er ging zu dem gedeckten Tisch zurück, wo der Diener den Kaffee einschüttete. »Aber das alles ist ausgelöscht. Der Salon, das Eßzimmer, vor allem aber das Schlafzimmer sind völlig neu eingerichtet! Nichts erinnert mehr an das Früher! Mit dir soll ein ganz anderes Leben beginnen. Heute nacht war die Stunde Null. Von da ab beginnt für uns eine neue, nur uns gehörende Zeitrechnung. Einmal wird es heißen: Wir schreiben
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