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Das Mädchen und der Zauberer

Das Mädchen und der Zauberer

Titel: Das Mädchen und der Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bucht von Fort de France tuckerten und sie wieder vor Aubin auf dem Vorderdeck lag, sagte sie, sich auf den Bauch wälzend und ihn über den Rand der Sonnenbrille anblickend: »Wie ist das eigentlich?! Gestern war der erste Tag! Laut Abmachung bekomme ich dafür dreißig Francs. Um keine Unklarheiten aufkommen zu lassen: Ich bin für Tageskasse! Cash in die Hand. Heute abend sind also 60 Francs fällig! Hast du die überhaupt?«
    »Das Taschengeld, das zum Ersten Preis gehört, reicht aus.«
    »Wovon lebst du eigentlich in Marseille? Doch von deinen Bildern nicht? Wer soll die denn kaufen?«
    »Das Erkennen eines Genies bedarf der Zeit, oder es kommt spontan. Ich male Schilder, zeichne Karikaturen für die Zeitungen, Urkunden für Jubiläen. Man lebt so dahin. Aber das ändert sich. Wenn ich erst mein Gemälde Karibik-Träume mit dir als Vordergrund ausstelle, wird der internationale Kunsthandel bei mir Schlange stehen.«
    »Bestimmt. Aber, um meine Adresse zu erfahren.«
    Sie blieb eine Giftnudel! Aubin verzichtete auf eine weitere Diskussion, ließ das Boot mit Vollgas ins Wasser tauchen, spritzte Jeanette dadurch völlig naß und begann zu singen, als sie wild zu schimpfen begann.
    In einer solchen Stimmung kletterte Jeanette jetzt an Bord der Carina II und ließ es über sich ergehen, daß auch Bataille sie umarmte und ihr einen Kuß gab, allerdings auf die Wange. Aubin war da weniger gesellschaftlich, er schmatzte Marie Lupuse auf die vollen Lippen und freute sich, daß Jeanettes Gesicht deutlich ihre Wut und ihre Eifersucht widerspiegelte.
    An diesem Vormittag mußte Aubin viermal unter Deck. »Ich muß mir die Blase erkältet haben!« erklärte er Bataille besorgt. »Verrückt, bei dieser Hitze, was? Aber das sind die verdammten Klimaanlagen in den Hotels und Restaurants … Rein aus der Hitze in die Kälte, raus aus der Kälte in die Hitze. Wer das nicht gewöhnt ist …«
    Bei seinen Toilettengängen zeigte Aubin ein ausgesprochen schlechtes Orientierungsvermögen. Viermal irrte er durch das Schiff, ehe er endlich das WC entdeckte, und einmal war er mit verzweifeltem Gesicht auf der Suche, als Bataille gerade im Funkraum ein neues Gespräch mit seinem Kontaktmann an Land hatte. Aubin fing nur ein paar Worte und Satzfetzen auf … »… ist das auch sicher …« – »… ja, morgen …« – »… das ist hervorragend …«, mit denen er im Augenblick wenig anfangen konnte. Auf jeden Fall aber sprach Bataille mit jemandem auf Martinique, und das ist für einen Jachttouristen, der angeblich zum ersten Mal nach Martinique gekommen ist, sehr ungewöhnlich. Auch daß Bataille und Marie nicht an Land gingen, konnte man nicht ganz normal nennen.
    Aubin malte bis gegen 14 Uhr die nackte Jeanette vor der Kulisse von Martinique. Mit einigem Wohlwollen konnte man das erkennen. »Es ist eine ganz moderne, eigenwillige Auffassung!« erklärte er, nachdem Jeanette bei einer Unterbrechung gesagt hatte: »Das ist ja scheußlich! Ich sehe aus wie ein Kretin!«
    Marie dagegen fand das Bild gut, weil die Landschaft besser getroffen war als die Frau. Jeanettes Brüste waren ungleichmäßig, die Hüften zu ausladend, die Oberschenkel zu dick, ungemein markant war nur das magische Dreieck: ein riesiger rotbrauner Klecks. Maßlos übertrieben.
    Es war später Nachmittag, als Aubin sich endlich seufzend zurücklehnte und die Palette weglegte. Jeanette zog sich an. Modellstehen ist Schwerarbeit, dachte sie. Bei einem Maler. Im Fotoatelier hat man es leichter, da wird oft aus der Bewegung heraus fotografiert, da braucht man nicht stur in einer Haltung zu verharren. Aber hier, dastehen und dösen. Und heraus kommt ein Bild zum Haareraufen.
    »Kommen Sie morgen wieder?« fragte Bataille zum Abschied. Er hatte sich das anders gedacht, nicht so ernsthaft. Er hatte sich darauf vorbereitet, ein kleines Wechselspiel zu veranstalten, aber Aubin war nicht bereit, Jeanette gegen Marie einzutauschen. Er malte verbissen und überhörte alle Andeutungen.
    »Wenn ich darf?« fragte Aubin naiv. »Ich könnte jetzt auch aus dem Gedächtnis weitermalen, aber es geht nichts über das unmittelbare Erlebnis. Über das lebendige Auge. Ich bin einer der letzten Expressionisten. Nur in moderner Form … das ist das Neue. Verstehen Sie das, Roger?«
    »Nein, um ehrlich zu sein.«
    »Macht nichts.« Aubin war umwerfend jungenhaft. »Wollen Sie wirklich übermorgen weiter nach Barbados?«
    »Ja.« Bataille beugte sich über die Reling und winkte Jeanette zu,

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