Das Mädchen und der Zauberer
mein Liebling.«
»Willst du mir noch immer erzählen, daß so ein verrückter Jachtbesitzer von dir ein Urwaldbild bestellt hat?«
»Ja. Warum sind wir sonst hier?«
»Genau das sollst du mir jetzt sagen, Jean!«
»Um zu malen.«
Sie legte sich neben ihn auf den Rücken, verschränkte die Arme hinter ihrem Nacken und blickte wie er gegen die niedrige Zeltdecke. »Du bist sicher, daß ich dich liebe?« sagte sie nach einer Weile.
»Aber bombensicher, Liebling.«
»Den Maler Jean Aubin?«
»Nein! Den Menschen Jean Aubin. Wenn ich mal umschwenke und Bildhauer werde, müßte ja dann alles von vorn beginnen.«
»Laß diesen Unsinn bitte, Jean! Wie können sich Menschen ehrlich lieben, wenn sie nicht die Wahrheit über sich wissen?«
»Ein wahres Wort! Also, pack aus, mein Liebling! Was verschweigst du mir?«
»Es hat keinen Sinn!« Jeanette löschte die kleine Batterielampe neben sich. »Jean, ich liebe dich wirklich! Aber ich kann nicht mit einem Mann leben, von dem ich nicht weiß, wer und was er ist. Versuch, das zu verstehen.«
In dieser Nacht konnte Aubin schlecht einschlafen. Sie hat ja recht, dachte er, sie hat ja so recht! Verdammt, man muß die Dinge hier so schnell wie möglich in Ordnung bringen.
Nun, da man doch nicht so schnell weiter nach Barbados fahren konnte, sah Bataille ein, daß es sinnvoller wäre, sich an Land blicken zu lassen. Er sprach über Funk mit einem Mann, der Marie völlig unbekannt war und von dem sie noch nie etwas gehört hatte, und sie hörte es auch nur durch Zufall, als sie an der angelehnten Tür der Funkkabine vorbeiging. »Ja, heute abend, Monsieur le Comte –« sagte Bataille. »Wir treffen uns zufällig in Le Josephine, im Hôtel L'Impératrice. Salut.«
Ein paar Minuten später verkündete Bataille der Überraschung spielenden Marie die große Neuigkeit: »Ma Chérie … heute abend gehen wir endlich an Land! Ich mußte umdisponieren. Wir haben ein paar Tage Zeit, Martinique zu genießen. Das wolltest du doch immer. Na, wie bin ich zu meinem Schatz?!«
»Du bist fabelhaft!« rief Marie, stieß einen wohlüberlegten Juchzer aus, fiel Roger um den Hals und küßte ihn leidenschaftlich. So oft Bataille sie manchmal mit Wonne in das Weltall hätte schießen können, vor allem, wenn ihre grenzenlose Dummheit ihn völlig entnervte, in solchen Augenblicken, wenn sie ihn küßte und er ihren üppigen Körper spürte, war er froh, sie bei sich zu haben und liebte sie wirklich. Es war ihm selbst unerklärlich, da er sich immer wieder sagte: Sie ist nichts als ein Stück herrlich geformtes Fleisch! Aber dann gab es Augenblicke, wo er dachte: Sie gehört zu mir wie mein Atem.
Mit ihrem kleinen Beiboot, einem schnittigen Motorrenner, fuhren sie hinüber zum großen Landesteg des Douane et Immigration Plaisance – dem Zoll und der Fremdenpolizei – ließen Pässe und Schiffspapiere kontrollieren und durften dann Martinique betreten. Arm in Arm bummelten sie darauf den Boulevard Alfassa hinunter, die berühmte Uferstraße, von der man einen Blick über die Baie des Flamands und hinüber zur Ponte du Bout und zur Bucht von Trois-Ilets hat, der zum Schönsten zählt, was diese Welt zu bieten hat. Wer hier einmal gestanden hat, wenn im Abendrot das Meer aufflammt, die Segel der Boote golden werden und die Bäume und Palmen einen violetten Hauch bekommen, der behält dieses Bild in sich wie einen unvergänglichen Traum.
Im Restaurant Le Joséphine empfing man Bataille und Marie Lupuse mit der Eleganz eines Etablissements, das weiß, welchen vorzüglichen Ruf es hat. Zufällig war ein Tisch in einer Nische frei, von der man das Speisezimmer fast völlig überblicken konnte, und der Chef des Restaurants kam selbst herbei und begrüßte Bataille mit distanzierter Ehrfurcht. Im Laufe der Jahre hat man einen geübten Blick für die Gäste, die hereinkommen, wobei die Damen an der Seite der Herren nicht immer einen Hinweis geben können. Oft haben die seriösesten Messieurs an ihrem Arm eine – na sagen wir es höflich – sehr exotische Blüte. Bataille schnitt da gut ab … Marie Lupuse war zwar auffällig mit ihren Formen, aber man sah dem Paar an, daß es nicht zufällig zusammengehörte.
Bataille ließ sich die große Karte geben und blickte über den Rand hinweg in das Lokal. Es waren noch drei Tische frei … die anderen Gäste waren Bataille unbekannt. Franzosen, Amerikaner, Deutsche, Holländer, Schweizer, aber kein Kreole oder gar ein Schwarzer. Gerade, als er die Karte
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