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Das Mädchen und der Zauberer

Das Mädchen und der Zauberer

Titel: Das Mädchen und der Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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männlich und mit noch nicht verkümmerten Muskeln. Er hatte das Altern gut überstanden. In diesem Augenblick schämte sich Mamissi Wata Danielle Paquier ihrer unförmigen Dicke, vor allem, als sie jetzt daran dachte, wie hübsch und schlank sie gewesen war, als Jules sich bemühte, sie in sein Bett zu bekommen, und sie ihn ausgelacht und verspottet hatte.
    Zum letzten Mal kam Jules vom Kofferraum seines Wagens zurück und brachte eine runde Baumtrommel, mit Ziegenhaut bezogen, mit. Er blieb vor Mamissi Wata stehen und zog das Kinn an. »Kannst du noch die Rhythmen?« fragte er. »O je, wie willst du die Trommel zwischen die Beine klemmen. Da paßt ja nichts mehr hin!«
    »Gib sie mir!« sagte Alice Anamera, bevor Mamissi Wata aufheulen konnte und sich überlegte, ob sie Jules in das verdammte Gesicht spucken sollte. Die ganze Zeit über hatte Alice mit leeren Augen im Sand gehockt, fast unbeweglich, den Blick hinaus aufs Meer gerichtet. Jetzt war sie aufgestanden und streckte die Arme vor. Jules nickte, übergab ihr die Trommel und trat in seinen magischen Kreis.
    Leise, in einem wiegenden Rhythmus, begann Alice mit den flachen Händen auf das Ziegenfell zu schlagen. Feierlich schritt Jules Totagan in seinem Kreis herum. Mit Maismehl aus einem irdenen Topf streute er vor den Voodoo-Eisen und den Voodoo-Puppen die heiligen Zeichen, die geheimnisvollen Vévés auf den Boden, magische Figuren, die zur Anrufung der Götter gebraucht werden. Diese Symbole zwingen die Götter herbei, und einer der Götter wird dann, wenn die Opfer gut genug sind, Besitz von Jules ergreifen und durch seinen Mund die Wahrheit und die Zukunft sprechen.
    Siebenundsiebzig Vévés streute Jules für die Petro-Götter und einundzwanzig Vévés für die Rada-Götter. Dann schlug er die Hände vor sein Gesicht und verharrte wie versteinert. Das Trommeln wurde lauter, härter, zwingender, schneller. Mit geschlossenen Augen stand Alice nahe am magischen Kreis und schlug mit den Händen auf die Ziegenhaut.
    Jules Totagan begann zu tanzen. Mit zunächst staksigen Schritten hüpfte er im Kreis herum, die Hände noch vor dem Gesicht, und es war erstaunlich, daß er immer im Inneren des Kreises blieb und keines seiner vielen Vévés berührte. Mamissi Wata faltete die Hände über dem riesigen Leib. Jetzt ruft er den Geist Leglesou, den Unverwundbaren, dachte sie mit einem leichten Schauder. Der Geist, den nichts verletzen kann, der selbst dem Feuer widersteht.
    Immer schneller, immer fordernder, immer antreibender klang die Trommel. Jules Körper verfiel in Zuckungen. Er riß die Hände herunter, breitete die Arme aus, und plötzlich begann er zu schreien, dumpf, wie aus unendlichen Tiefen, und dann schriller werdend bis zum ohrenzerreißenden Kreischen. Er bückte sich, am ganzen Körper zuckend, riß einen Hahnenkäfig auf, packte den schreienden Hahn mit beiden Händen, die zu Eisenklammern wurden, wirbelte mit ihm herum, schwenkte das Tier wie eine Fahne, stieß einen neuen gellenden Schrei aus, öffnete weit den Mund, steckte den Hahnenkopf zwischen seine Zähne und biß zu. Blut rann ihm aus dem Mund, und als er den abgebissenen Hahnenkopf in eines der Voodoo-Eisen spuckte, spritzte das pulsende Blut des Tieres über sein Gesicht und über seinen Körper.
    Noch dreimal tötete Jules auf diese Art einen Hahn, und immer wilder, immer ekstatischer schlugen Alices Hände auf die Trommel. Jules war jetzt aller Welt entrückt, tanzte mit ungeheuren Zuckungen im Kreis herum, blutbeschmiert vom Kopf bis zu den Füßen, und ein plötzlicher, langgezogener Schrei verkündete, daß nun Leglesou, der Unverwundbare, in seinen Körper gefahren war. Nun war er der unbesiegbare Geist und nicht mehr der Mensch Jules Totagan, nun war er ein Teil des Gottes geworden, und alles, was er tat und sprach, kam von jetzt an vom Übermächtigen.
    In höchster Ekstase, in vollkommener Trance, tanzte Jules mit nackten Füßen durch den Haufen der Glasscherben, warf sich rücklings in das zersplitternde Glas, wälzte sich darin wie ein Schwein in einer morastigen Sule und sprang wieder auf … unverletzt, ohne eine einzige Wunde, ohne einen Schnitt. Mamissi Wata fiel auf die Knie. Leglesou, der Unverwundbare, war wirklich in Jules, man sah es jetzt. Und die Trommel wirbelte, als solle sie die ganze Welt in einen wilden Taumel reißen.
    Jules Totagan, über und über mit dem Blut der Hähne besudelt, wirbelte wie besessen – und das war er ja – um die eigene Achse, riß ein

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