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Das Mädchen vom Amazonas: Meine Kindheit bei den Aparai-Wajana-Indianern

Das Mädchen vom Amazonas: Meine Kindheit bei den Aparai-Wajana-Indianern

Titel: Das Mädchen vom Amazonas: Meine Kindheit bei den Aparai-Wajana-Indianern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherina Rust
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genug für ihre eigenen Angehörigen. Irgendwann platzte ich mitten in die Runde von Kois Familie, wo es gerade eine Art Süßspeise aus Maniokstärke gab. Eigentlich ein Abfallprodukt, das erst durch die Beigabe von etwas Zucker genießbar wurde und einen Geschmack hatte wie gesüßte Sülze. Koi stürzte auf mich zu und hielt mir die Leckerei vor die Nase. Kulapalewa bedachte uns mit einem so strengen Blick, dass ich erschrocken ein paar Schritte zurücktaumelte. Ganz sicher wollte ich meiner Freundin Koi nichts wegessen, doch bevor ich überhaupt etwas sagen konnte, drehten mir alle den Rücken zu. Sie behandelten mich wie Luft. Nur Koi schaute über ihre Schulter und zwinkerte mir zu.
    Traurig schlenderte ich zum Fluss. Dort ließ ich mich auf das sandige Ufer fallen und starrte in den Himmel. Alles kam mir wie verhext vor. Doch bevor ich weiter Trübsal blasen konnte, rüttelte eine kleine braune Hand mit schmutzigen Fingernägeln an meiner Schulter. »B uh!« Kois Atem kitzelte an meinem Ohr. »L os!«, forderte sich mich auf, »w er zuerst im Fluss ist, hat gewonnen.«
    Zum ersten Mal schwammen wir, so weit wir konnten, bis zur Flussmitte hinaus. Vor Piranhas brauchten wir uns nicht mehr in Acht zu nehmen. Der Fluss war beinahe leer gefischt, der Hunger machte auch vor den räuberischen Aasfressern nicht Halt. Am Ende der Fastenzeit gab es nämlich nur noch Piranhas zum Frühstück.
    Spannung vor dem großen Tag
     
    Wenn wir uns an besondere Momente unserer Kindheit erinnern, gehen wir in Gedanken zurück zu jenen Ereignissen, die sich wie markante Punkte in unser Gedächtnis eingebrannt haben. Ein bestimmter Moment an einem bestimmten Weihnachtsabend wird zum Bild aller Weihnachten der eigenen Kindheit, ein schöner Hochsommertag an einem See zum Inbegriff aller Kindheitssommer. Unsere Erinnerungen mögen inzwischen verblichen sein wie vergilbte Fotos, die Konturen aber bleiben deutlich erkennbar. Der Tag der Fische ist ein solcher Erinnerungspunkt für mich, auch wenn die Aparai darüber vermutlich nur müde mit den Schultern zucken würden. Für mich war es ein besonderes Ereignis, das in meinem inneren Fotoalbum einen wichtigen Platz einnimmt, weil es nicht alltäglich war.
    Mindestens einmal im Jahr wurde in unserem Dorf der Tag für den Fischzug mit Lianengift bestimmt. Es gab kein festgelegtes Datum dafür, nur die Jahreszeit war immer gleich. Im Sommer, wenn die Flüsse niedrig standen und sich das Wasser unterhalb der kleinen Stromschnelle leicht in der Bucht stauen ließ. Die Wälder waren zu dieser Zeit überjagt, Fleisch gab es seltener als sonst, und die Kessel auf unseren Kochstellen blieben öfter halb leer, als dass sie voll waren. Anders als im tropischen Herbst, wenn die Jäger aufbrachen, um prächtige Tapire zu erlegen, fette Klammeraffen, Vögel und Wildschweine, blieben die amazonischen Sommer in kulinarischer Hinsicht eher bescheiden. In jenen Tagen dominierte in Mashipurimo Eintönigkeit: Es gab gewürzte Maniokbrühe, getrocknetes Fladenbrot und Piranhas. Während wir etwas lustlos auf den Fladen herumkauten, malten wir uns aus, wie es wäre, wenn wir uns endlich wieder den Bauch vollschlagen könnten. Trotz der unfreiwilligen Fastenzeit mochte nämlich niemand in unserem Dorf langfristig auf größere Gelage verzichten. Zumal der Sommer die absolute Hochphase war, um künftige Schwiegertöchter und -söhne auszuspähen, Handelsbeziehungen zu anderen Dörfern zu festigen und die Kontakte zu Freunden und Verwandten von den oberen und unteren Flussläufen lebendig zu halten. Und die galt es natürlich gebührend zu bewirten. Doch womit, wenn nicht einmal genug da war, um selbst satt zu werden?

    Flussstaubsauger – die Harnischwelse
     
    Eines Tages erwähnte Antonia beiläufig, dass das Fischfest unmittelbar bevorstand. Sylvia und ich schauten uns ungläubig an. Hatten wir da gerade richtig gehört? Schon seit Wochen hatten wir auf diesen Tag hingefiebert und versucht, die Erwachsenen aus der Reserve zu locken: »D as Wasser steht ganz schön tief im Fluss …«
    »H mmm«, machte Antonia.
    »U nd wir haben neulich von den Jägern gehört, dass die Lianen inzwischen armdick sind.«
    »S o ist es.« Araiba ließ sich nicht beirren.
    Und zu Inaina gewandt: »V iel hast du ja heute nicht heimgebracht.«
    »H mmm.«
    Mehr war auch aus ihm nicht herauszubringen gewesen. Ruhig schnitzte er an einem neuen Fischpfeil herum. Der Pfeil hatte eine Art Widerhaken am Ende, den Inaina nun über dem

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