Das Mädchen.
hatte.
»Wasser führt zu Menschen«, sagte sie und machte sich an den Abstieg.
Zur Seite gedreht und in kleinen Sprüngen stieg sie auf dem rechten Bachufer ab. Anfangs ging das gut, obwohl der Hang steiler war, als er von oben ausgesehen hatte, und das lose Geröll bei jeder Bewegung unter ihren Turnschuhen nachgab. Ihr Rucksack, den sie bis dahin kaum gespürt hatte, kam ihr allmählich wie ein schweres, schwankendes Baby in einer dieser Rückentragen vor; sie mußte bei jeder Bewegung mit den Armen rudern, um ihr Gleichgewicht zu halten. Aber das klappte, was nur gut war, denn als sie auf halber Höhe eine Pause einlegte, versank ihr rechter Fuß, der ihr ganzes Gewicht trug, in dem losen Geröll unter ihr, und sie erkannte, daß sie nicht wieder würde hinaufklettern können. So oder so blieb ihr nur die Talsohle als Ziel. Sie stieg weiter ab. Schon nach wenigen Schritten flog ihr ein Insekt - ein großes, keine Gnitze oder Stechfliege - ins Gesicht. Es war eine Wespe, und Trisha schlug sie mit einem Aufschrei weg. Ihr Rucksack schlenkerte abrupt zur Talseite hinüber, ihr rechter Fuß rutschte weg, und sie verlor jäh das Gleichgewicht. Sie stürzte zu Boden, prallte mit ihrer Schulter ins Geröll, so daß ihre Zähne aufeinanderschlugen, und begann abzurutschen.
»Oh, Scheiße auf Toast!« schrie sie und griff haltsuchend um sich. Aber sie bekam nur loses Geröll zu fassen, das mit ihr abrutschte, und spürte einen scharf stechenden Schmerz, als ein gezackter Quarzbrocken ihre Handfläche verletzte. Sie faßte nach einem Busch, der sich aber mitsamt seinen dummen flachen Wurzeln herausreißen ließ. Ihr Fuß prallte gegen etwas, ihr rechtes Bein wurde schmerzhaft abgeknickt, dann flog sie auf einmal durch die Luft, und die Welt drehte sich, als sie einen unbeabsichtigten Purzelbaum schlug.
Trisha kam auf dem Rücken auf, rutschte weiter, die Beine gespreizt und mit den Armen rudernd, und kreischte dabei vor Schmerzen, Schreck und Überraschung. Ihr Poncho und ihr Trikot rutschten ihr den Rücken bis zu den Schulterblättern hinauf; scharfkantiges Gestein riß ihr die Haut auf. Sie versuchte, mit den Füßen zu bremsen. Der linke Fuß prallte gegen einen Felsbrocken, der aus dem Geröll ragte, und drehte ihren Körper nach rechts. Dadurch überschlug sie sich - landete erst auf dem Bauch, dann auf dem Rücken, zuletzt wieder auf dem Bauch, während ihr Rucksack sich in ihren Körper drückte und dann bei jeder Drehung schmerzhaft nach oben gezogen wurde. Der Himmel war unten, das verhaßte Geröll des Steilhangs war oben, dann tauschten die beiden ihre Plätze - fast so wie beim Rock'n'Roll.
Die letzten zehn Meter legte Trisha auf ihrer linken Seite mit ausgestrecktem linken Arm und dem in die linke Armbeuge vergrabenen Gesicht zurück. Sie rammte etwas so heftig, daß sie sich auf dieser Seite eine Rippenprellung zuzog ... und dann, bevor sie auch nur aus ihrer Armbeuge aufsehen konnte, spürte sie einen sehr schmerzhaften Stich unmittelbar über ihrem linken Wangenknochen. Trisha schrie auf, kam auf die Knie und schlug danach. Sie zerquetschte etwas - natürlich eine weitere Wespe, was sonst -, noch während die Wespe erneut zustach, noch während sie die Augen öffnete und sie überall um sich herumschwirren sah: gelbbraune Insekten, die hecklastig wirkten, häßliche, plumpe Giftfabriken. Sie war gegen einen abgestorbenen Baum geprallt, der am Fuß des Steilhangs etwa zehn Meter von dem rauschenden Bächlein entfernt stand. In der untersten Astgabel des toten Baums, genau in Augenhöhe eines kleinen Mädchens, das erst neun, aber für sein Alter groß war, hing ein graues Wespennest. Aufgeregte Wespen krochen darauf herum; weitere kamen aus dem oberen Schlupfloch herausgeflogen. Trisha spürte einen heiß brennenden Stich rechts im Nacken, knapp unterhalb ihrer Schirmmütze. Ein weiterer Stich setzte ihren rechten Arm oberhalb des Ellbogens in Flammen. Sie schrie in völliger Panik auf und flüchtete blindlings. Etwas stach sie in den Nacken; etwas stach sie über dem Bund ihrer Jeans ins Kreuz, wo ihr Trikot noch hochgerutscht war und der blaue Plastikponcho in Fetzen herunterhing.
Sie rannte ohne Überlegung, Plan oder Absicht in Richtung Bach; das tat sie nur, weil das Gelände dort verhältnismäßig frei war. Sie kurvte um die Buschgruppen herum, und als das Unterholz dichter wurde, brach sie mit Gewalt hindurch. Am Bachufer machte sie halt, rang keuchend nach Luft und sah sich
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