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Das Mädchen.

Das Mädchen.

Titel: Das Mädchen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gewesen. Als ihre Schläfen zu pochen begannen, versuchte Trisha es mit einem Kompromiß, indem sie in die Knie ging und ihren Oberkörper etwas anhob. Damit verlagerte ihre Blickrichtung sich stromaufwärts, und sie sah drei quecksilbrige Blitze - das waren Fische, kein Zweifel - auf sich zuflitzen. Hätte sie Zeit zu einer Reaktion gehabt, hätte Trisha die Kapuze fast sicher hochgerissen und keinen von ihnen gefangen. So hatte sie nur Zeit für einen einzigen Gedanken (wie Sternschnuppen im Wasser)
    und dann schössen die silbrig glitzernden Dinger zwischen die Felsen, auf denen sie stand, und genau unter ihr hindurch. Einer von ihnen verfehlte die Kapuze, aber die beiden anderen schwammen geradewegs hinein.
    »Buuja!« kreischte Trisha.
    Mit diesem Aufschrei - aus dem soviel Schock und Bestürzung wie Freude sprachen - beugte Trisha sich wieder nach vorn und packte den unteren Rand ihrer Kapuze. Dabei hätte sie ihre Gewichtsverlagerung beinahe übertrieben und wäre im Bach gelandet, aber sie schaffte es irgendwie doch, das Gleichgewicht zu halten. Sie hob die Kapuze, die voller Wasser war, das über die Seiten schwappte, mit beiden Händen hoch. Als sie damit ans Ufer zurücktrat, verformte die Kapuze sich, so daß noch mehr Wasser herausschwappte und das linke Jeansbein zwischen Hüfte und Knie durchnäßte. Eine der kleinen Forellen wurde dabei herausgeschwemmt, zappelte mit dem Schwanz schlagend in der Luft, klatschte dann ins Wasser und schwamm davon.
    »SCHIET!« kreischte Trisha, aber jetzt lachte sie dabei. Als sie sich mit der Kapuze, die sie mit beiden Händen vor sich hertrug, die Uferböschung hinaufquälte, begann sie auch zu husten.
    Sobald sie auf ebenem Boden stand, warf sie einen Blick in die Kapuze, obwohl sie sich sicher war, daß sie nichts sehen würde - sie hatte auch den anderen Fisch verloren, mußte ihn verloren haben, Mädchen fingen keine Forellen, auch nicht ganz junge, in den Kapuzen ihrer Ponchos, sie hatte ihn nur nicht entwischen sehen. Aber die Forelle war noch da und schwamm wie ein Zierfisch in einem Goldfischglas herum.
    »O Gott, was mache ich jetzt?« fragte Trisha. Das war ein echtes Gebet - verzweifelt und nachdenklich zugleich. Die Antwort gab ihr Körper, nicht ihr Verstand. Sie hatte schon massenhaft Cartoons gesehen, in denen Wile E.
    Coyote Roadrunner betrachtete und zu sehen glaubte, wie er sich in ein Festmahl verwandelte. Sie hatte gelacht, Pete lachte, und sogar Mom lachte, wenn sie gerade mitsah. Jetzt lachte Trisha nicht. Beeren und Bucheckern von der Größe von Sonnenblumenkernen waren in Ordnung, aber sie reichten nicht aus. Selbst wenn man sie miteinander aß und sich einredete, sie seien Müsli, reichten sie nicht aus. Die Reaktion ihres Körpers auf die vier Zoll lange Forelle, die in der blauen Kapuze herumschwamm, war radikal anders, nicht genau Hunger, sondern eine Art Spannung, ein Krampf, der sich auf ihren Magen konzentrierte, aber tatsächlich von überall her kam, ein unartikulierter Schrei
    (HER DAMIT)
    der kaum etwas mit ihrem Gehirn zu tun hatte. Sie sah eine Forelle, nur eine kleine, weit unterhalb der gesetzlichen Mindestgröße, aber unabhängig davon, was ihre Augen sahen, sah ihr Körper nur Essen. Richtiges Essen. Trisha hatte nur einen klaren Gedanken, als sie die Kapuze zu ihrem Poncho hinübertrug, der noch auf dem Felsen ausgebreitet war (jetzt wie eine Papierpuppe ohne Kopf): Ich tu's, aber ich rede nie darüber. Wenn sie mich finden, mich retten, erzähle ich ihnen alles, nur nicht, wie ich in meine eigene Scheiße gefallen bin ... und das hier. Sie handelte ohne Plan oder Überlegung; ihr Körper wischte ihren Verstand beiseite und übernahm einfach das Kommando. Trisha kippte den Inhalt der Kapuze auf den Nadelteppich und beobachtete, wie das Fischlein herumzappelte, während es in der Luft erstickte. Als es sich nicht mehr rührte, hob sie es auf, legte es auf den Poncho und schnitt ihm den Bauch mit dem scharfkantigen Stein auf, mit dem sie die Kapuze des Ponchos abgetrennt hatte. Ein Fingerhut voll einer wäßrigen, schleimigen Flüssigkeit lief heraus, mehr dünner Rotz als Blut. Im Bauch des Fischs waren winzige rote Eingeweide zu sehen. Diese hebelte sie mit einem schmutzigen Daumennagel heraus. Darüber lag die zarte Rückengräte. Trisha probierte, sie herauszuziehen, und bekam etwa die Hälfte heraus. In dieser ganzen Zeit versuchte ihr Verstand nur einmal, das Kommando zu übernehmen. Den Kopf kannst du nicht essen,

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