Das Mädchen.
Ruhe lassen?« rief sie und bekam davon einen neuen Hustenanfall. Als sie ihn unter Kontrolle hatte, wiederholte sie die Frage, diesmal jedoch leiser. »Kannst du nicht damit aufhören? Kannst du mir nicht einfach 'ne Chance geben, mich einfach in Ruhe lassen?«
Nichts. Kein Laut außer dem Seufzen des Windes in den Kiefern ... und dann ein Grunzen. Tief und leise und nicht einmal im entferntesten menschlich. Trisha blieb mit der Ladung duftender, harziger Zweige in ihren Armen wie angenagelt stehen. Sie spürte, daß sie am ganzen Körper eine Gänsehaut bekam. Wo war dieses Grunzen hergekommen? Von dieser Seite des Bachs? Vom anderen Ufer? Unter den Kiefern hervor? Sie hegte den schrecklichen Verdacht, fast eine Gewißheit, es sei unter den Kiefern hervorgekommen. Das Ding, das sie beobachtete, lauerte unter den Kiefern. Während sie Äste abgebrochen hatte, um sich damit zuzudecken, war sein Kopf vielleicht keine drei Fuß von ihrem entfernt gewesen; seine Krallen, die an den Baumstämmen tiefe Spuren hinterlassen und die beiden Hirsche gerissen hatten, waren ihren Händen vielleicht noch näher gewesen, als sie die Äste hin und her gebogen hatte, damit sie erst splitterten und dann brachen. Trisha begann wieder zu husten, und das weckte sie aus ihrer Erstarrung. Sie ließ die Äste wild durcheinander fallen und kroch darunter, ohne auch nur zu versuchen, Ordnung in das wüste Chaos zu bringen. Sie zuckte zusammen und stieß einen leisen Klagelaut aus, als einer der Äste sich in die Stelle über der Hüfte bohrte, wo die Wespenstiche saßen, und blieb dann still liegen. Sie spürte deutlich, daß es jetzt kam, daß es unter den Kiefern hervorschlüpfte und endlich kam, um sie zu holen. Das spezielle Ding der taffen Tussi, der Gott der Verirrten. Man konnte es nennen, wie man wollte: den Herrn finsterer Orte, den Kaiser dunkler Treppennischen, den schlimmsten Alptraum jedes Kindes. Was immer es war: Es machte nun Schluß mit der Neckerei; es hatte die Lust am Spiel verloren. Es würde die Zweige, unter denen sie angstvoll zusammengerollt lag, einfach wegfetzen und sie bei lebendigem Leib auffressen. Hustend und zitternd, bar jeglichen Sinns für Realität und Rationalität - tatsächlich vorübergehend geistesgestört -, legte Trisha beide Arme über ihren Hinterkopf und wartete darauf, von den Krallen des Dings zerfleischt und in seinen mit Reißzähnen bewehrten Rachen gestopft zu werden. So schlief sie dann ein, und als sie am Dienstag morgen bei Tagesanbruch aufwachte, waren beide Arme von den Ellbogen abwärts eingeschlafen, und sie konnte ihren steifen Hals anfangs überhaupt nicht bewegen; sie mußte beim Gehen den Kopf leicht schiefhalten. Ich glaube, ich brauche keine der beiden Grammas zu fragen, wie es ist, alt zu sein, dachte sie, als sie sich hinhockte, um zu pinkeln. Ich glaube, das weiß ich jetzt.
Als sie zu dem Asthaufen zurückging, unter dem sie geschlafen hatte (wie ein Eichhörnchen in seinem Bau, dachte sie bitter), fiel ihr auf, daß eine der anderen mit Kiefernnadeln gepolsterten Felsmulden - und zwar, um genau zu sein, die neben ihrer - zerwühlt zu sein schien. Die Nadeln waren zur Seite gescharrt, so daß an einer Stelle sogar die dünne schwarze Humusschicht zutage trat. Also war sie in der Dunkelheit vor Tagesanbruch vielleicht doch nicht geistesgestört gewesen. Oder nicht vollkommen geistesgestört. Denn später, als sie wieder geschlafen hatte, war etwas gekommen. Es war ganz nahe an sie herangekommen, hatte vielleicht dort gehockt und sie beobachtet. Es hatte sich gefragt, ob es sie jetzt fressen sollte, und sich schließlich dagegen entschieden, um sie noch mindestens einen weiteren Tag reifen zu lassen. Damit sie wie eine Scheinbeere noch süßer wurde.
Trisha drehte sich im Kreis und hatte dabei ein schwaches Deja-vu-Gefühl, ohne sich jedoch daran zu erinnern, daß sie sich erst vor wenigen Stunden an fast genau dieser Stelle genauso im Kreis gedreht hatte. Sie blieb stehen, als sie wieder in die ursprüngliche Richtung sah, und hustete nervös in ihre Hand. Vom Husten tat ihr die Brust weh -ein kleiner dumpfer Schmerz ganz tief drinnen. Aber das störte sie nicht einmal, denn dieser Schmerz war wenigstens warm, während sie an diesem Morgen sonst überall fror. »Es ist weg, Tom«, sagte sie. »Was es auch sein mag, es ist wieder fort. Wenigstens für einige Zeit.«
Ja, sagte Tom, aber es kommt zurück. Und früher oder später wirst du dich ihm stellen müssen.
»Es ist
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