Das Mädchen.
genug, daß ein jeglicher Tag seine Plage habe«, sagte Trisha. Das Zitat hatte sie von ihrer Gramma McFarland.
Sie wußte nicht genau, was es bedeutete, aber sie glaubte, es ungefähr zu wissen, und es schien zu diesem Anlaß zu passen.
Sie setzte sich auf den Felsen neben ihrer Schlafmulde und mampfte drei große Hände voll Beeren und Bucheckern, wobei sie sich einredete, sie esse Müsli. Die Beeren schmeckten an diesem Morgen nicht mehr so gut - tatsächlich waren sie ein bißchen trocken -, und Trisha vermutete, sie würden mittags noch weniger schmecken. Trotzdem zwang sie sich, alle drei Hände voll zu essen, und ging dann an den Bach, um zu trinken. Dabei sah sie eine weitere dieser kleinen Forellen, und obwohl die Fische, die sie bisher gesehen hatte, nicht viel größer als Stinte oder große Sardinen gewesen waren, beschloß sie plötzlich, zu versuchen, einen zu fangen. Ihre Steifheit hatte durch die Bewegung ein wenig nachgelassen, der Tag wurde wärmer, als die Sonne höher stieg, und sie fing an, sich etwas besser zu fühlen. Fast hoffnungsvoll. Vielleicht war heute ihr Glückstag. Sogar der Husten war nicht mehr so schlimm. Trisha ging zu ihrem unordentlichen Lager zurück, zog die Überreste ihres armen alten Ponchos hervor und breitete sie auf einem der Felsen aus. Sie suchte einen scharfkantigen Stein und fand einen guten in der Nähe der Stelle, wo der Bach über die abgerundete Kante der Felswand zu Tal stürzte. Dieser Steilhang war mindestens so steil wie jener, den sie an dem Tag, an dem sie sich verlaufen hatte (jener Tag schien Trisha jetzt mindestens fünf Jahre zurückzuliegen), hinuntergerutscht war, aber sie glaubte, daß dieser Abstieg viel einfacher sein würde. Hier gab es reichlich Bäume, an denen man sich festhalten konnte. Trisha trug ihr improvisiertes Schneidwerkzeug zu ihrem Poncho (so auf dem Felsen ausgebreitet sah der Poncho wie eine große blaue Papierpuppe aus) und säbelte die Kapuze unterhalb der Schulterlinie ab. Sie bezweifelte sehr, daß es ihr wirklich gelingen würde, mit der Kapuze einen Fisch zu fangen, aber der Versuch würde Spaß machen, und sie hatte keine Lust, den Abstieg zu versuchen, bevor sie ein bißchen lockerer geworden war. Während sie arbeitete, sang sie leise vor sich hin: erst den Song der Boyz To Da Maxx, der ihr die ganze Zeit nicht mehr aus dem Kopf gegangen war, dann »MMMm-Bop« von den Hansons, dann Bruchstücke von »Take Me Out to the Ballgame«. Aber meistens sang sie den Jingle »Wen rufen Sie an, wenn Ihre Windschutzscheibe kaputt ist?«
In der vergangenen Nacht hatte die kalte Brise die meisten Insekten von ihr ferngehalten, aber sobald der Tag wärmer wurde, sammelte sich wieder die übliche Wolke aus winzigen Kunstfliegern um ihren Kopf. Trisha nahm sie kaum wahr und verscheuchte sie nur gelegentlich mit einer ungeduldigen Handbewegung, wenn sie ihren Augen zu nahe kamen.
Nachdem sie die Kapuze von ihrem Poncho abgetrennt hatte, hielt Trisha sie mit der offenen Seite nach oben in den Händen und begutachtete sie mit kritisch abwägendem Blick. Interessant. Bestimmt zu primitiv, um zu funktionieren, aber trotzdem irgendwie interessant. »Wen rufst du an, Baby, wen rufst du an, wenn das verdammte Ding kaputt ist, oh yeah«, trällerte sie auf dem Weg zum Bach in flüsterndem Singsang vor sich hin. Sie suchte sich zwei Felsbrocken, die nebeneinander aus dem Wasser ragten, und stellte sich breitbeinig darauf. Dann sah sie zwischen ihren gespreizten Beinen ins rauschende Wasser, in dem außer dem scheinbar gewellten Kiesbett des Wildbachs nichts zu sehen war. Kein Fisch in Sicht, aber was machte das schon? Wer ein Fischermädchen sein wollte, mußte vor allem geduldig sein. »Put your arms around me ... cause I gotta munch on you«, sang Trisha, dann lachte sie. Ziemlich verrückt! Sie hielt die Kapuze so an den abgeschnittenen Schultern, daß sie nach unten hing, beugte sich nach vorn und tauchte ihr improvisiertes Fischemetz in den Bach.
Die Kapuze wurde von der Strömung nach hinten zwischen ihre Beine gezogen, aber sie blieb dabei offen, was soweit in Ordnung war. Das Problem war ihre Haltung: Rücken gebeugt, Hintern hochgereckt, Kopf in Taillenhöhe. Diese Stellung würde sie nicht lange durchhalten können, aber wenn sie versuchte, auf den Felsen in die Hocke zu gehen, würden ihre müden, zittrigen Beine wahrscheinlich versagen und sie in den Bach stürzen lassen. Ein eiskaltes Vollbad wäre schlecht für ihren Husten
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