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Das Maedchengrab

Das Maedchengrab

Titel: Das Maedchengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadja Quint
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keine Menschenseele blicken.
    »Dass hier niemand mehr entlangkommt, liegt bestimmt nicht nur am Regen«, meinte Basti. »Ich wette, die Hauptstraße ist jetzt knüppelvoll von Leuten, die danach gieren, mehr zu erfahren.«
    »Du hast doch gesagt, dass niemand dorthin darf, wo es passiert ist«, wandte Fine ein.
    »Ja. Jedenfalls hat Gudrun das so gesagt, und die muss es ja wissen als Verlobte eines Gendarms. Aber es gibt bestimmt viele Menschen, die zusehen wollen, wie die Polizei alles untersucht.«
    Fine nickte stumm. Sie mochte sich gar nicht ausmalen, was dort im Wald geschehen war und jetzt weiter vor sich ging.
    Eine Weile schwiegen sie.
    Schließlich meinte Basti leise: »Bestimmt hat der Mörder es auf junge Mädchen abgesehen. Also hätte es statt Bärbel auch dich treffen können, Fine.«
    Im ersten Moment wollte sie etwas entgegnen, denn sie musste an das denken, was Gudrun und Gerd ihr erzählt hatten: dass es zwischen Lisbeth und ihrem Mörder vermutlich eine Liebesverbindung gab. Vielleicht war das ja bei Bärbel und ihrem Mörder genauso. Aber weil Fine fest versprochen hatte, darüber zu schweigen, entgegnete sie nur: »Ja. Es hätte wohl auch mich treffen können.«
    Basti legte einen Arm um seine Schwester und blickte in den Himmel. »Die Blitze sind weit weg«, sagte er nach einer Weile. »Und das Donnern ist auch schon viel leiser. Wir sollten gehen.«
    Sie erhoben sich langsam aus der Kuhle. Als sie aufrecht standen, lief ihnen das Regenwasser aus Hosen und Röcken. Erst jetzt spürte Fine, wie stark die Luft sich abgekühlt hatte. Eben noch, neben Basti in der Kuhle, hatten sie nicht gefroren. Vermutlich hatte das Entsetzen alle anderen Empfindungen beiseitegedrängt. Wieder schaute Fine in den Himmel. Die Gewitterwolken zogen ab, nun setzte die Dämmerung ein.
    Fine ging zum Gänsepferch. Die Tiere saßen geduckt, viele mit dem Schnabel unter einem Flügel, als hätten sie begriffen, was sich in der Nähe ereignete hatte, und müssten sich nun schützen. Fine sprach ihnen gut zu. Dann machten sich die Geschwister auf den Weg.
    Als sie das Dorf erreichten, hatte das Donnergrollen sich ganz verzogen. Stattdessen lag eine Stille über den Häusern wie eine Decke von dichtem Filz. Nicht dick, aber kräftig genug, um die heftigsten Schwingungen der Luft abzumildern. Niemand war zu sehen, auf den Wegen nicht, vor den Häusern nicht.
    »Die haben entweder Angst und kauern sich um ihre Herdfeuer«, meinte Basti, »oder sie sind noch auf der Straße am Wald. Die Polizei wird dort wohl noch viele Stunden zu tun haben.«
    »Das mag wohl sein«, erwiderte Fine mit tonloser Stimme.
    Vor dem Haus der Schwarzen Marjann trennten sie sich. Basti ging weiter zu seinem Quartier beim Ravenzacher.
    Sobald Fine durch die Tür trat, kam Marjann mit einer Tasse heißem Kräutertee auf sie zu. »Ich wusste ja, dass dein Bruder bei dir war. Und dass er sofort ins Dorf zurückgekehrt wäre, wenn er dich nicht wohlbehalten angetroffen hätte. Darum habe ich mir keine Sorgen gemacht.«
    Die Besonnenheit der alten Frau ging auf Fine über. Sie nahm dankbar ein paar Schlucke Tee, dann legte sie ihre nasse Kleidung ab.
    Liebevoll und ruhig reichte Marjann trockne Tücher an. »Es ist furchtbar, was passiert ist. Aber dennoch dürfen wir nicht in Angst verfallen, sondern müssen alles daran setzen, den Mörder zu finden.«
    Fine nickte. Sie dachte nach: Noch bis gestern war es im Dorf so gewesen, dass alle über Lisbeths Ermordung vor zehn Jahren geschwiegen hatten, aber nun taten alle so, als sei es immer in der Erinnerung gewesen. Auch Marjann verhielt sich so, als hätte Fine immer gewusst, was damals geschehen war. Dabei hatte die alte Frau doch sogar die Antwort verweigert, als Fine direkt nach Lisbeths Grab gefragt hatte. Gern hätte Fine jetzt einige Fragen dazu gestellt, doch dann hätte sie zugeben müssen, dass sie mit Ulla, Gerd und Gudrun längst über Lisbeths Tod gesprochen hatte. Also sagte sie nur: »Basti hat mir erzählt, was damals der Tochter vom Köhler zugestoßen ist. Glaubt Ihr denn, Tante, es ist jetzt bei Bärbel derselbe Täter wie damals bei Lisbeth? Dass ein Mörder zehn Jahre wartet und dann plötzlich wieder zuschlägt?«
    »Wir wissen es nicht.« Marjann holte für Fine ein frisches Leibchen aus dem Schrank. »Wir können bloß sagen, dass hier im Dorf zehn Jahre lang nichts dergleichen geschehen ist. Es mag ja durchaus sein, dass der Täter in der Zwischenzeit andernorts sein Unwesen getrieben

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