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Das Maedchengrab

Das Maedchengrab

Titel: Das Maedchengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadja Quint
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gegessen, getrunken und sogar ein wenig getanzt. Für sie war nun genug gefeiert.
    Fine wollte noch längst nicht nach Hause, dennoch fragte sie: »Soll ich Euch begleiten, Tante? Ich kann danach ja noch weiterfeiern.«
    »Danke, Kind«, Marjann tätschelte Fines Hand. »Den kurzen Weg sollte ich wohl noch allein schaffen. Bleib du hier und hab noch deine Freude. Ich schaue morgen nach dir, damit du rechtzeitig aus den Federn kommst.«
    Doch Fine ließ es sich nicht nehmen, Marjann wenigstens bis vor die Tür zu bringen. Die alte Frau bog nach rechts in Richtung Kirche.
    Fine sah ihr nach. Es war ein kühler Abend. Die Sonne hatte sich erst am Nachmittag blicken lassen und nicht mehr die Kraft gefunden, die letzten Stunden des Tages noch mit Wärme zu füllen. Doch Fine genoss die klare Luft, die den Duft der mannigfachen Blüten mit sich trug. Sie fasste ihr Wolltuch enger um die Schultern und blieb ein paar Minuten am Weg stehen.
    Als sie sich eher zufällig nach links in Richtung der Hauptstraße wandte, sah sie dort einen Reiter auf sich zukommen. Er saß auf einem Schimmel, der sich in der Dämmerung hell vom Wald im Hintergrund abhob.
    Einen Moment lang überlegte Fine, sich unter das Vordach der Wirtshauspforte zu begeben, um dort abzuwarten. Doch in ihr passierte etwas, das sie sich selbst nicht erklären konnte. Obwohl es als unschicklich hätte gelten können, blieb sie stehen und sah dem Reiter entgegen. Offenbar handelte es sich um einen jungen Mann, dessen Oberkörper mit etwas Rotem bekleidet war.
    Sie wusste nicht, was sie da antrieb. Als wäre es nicht schon auffällig genug, auf der Straße zu bleiben, setzte sie sich nun in Bewegung. Wie an Fäden gezogen, ging sie Ross und Reiter entgegen. Etwa hundert Ellen von der Gasthoftür entfernt trafen sie zusammen.
    Es handelte sich um einen ebenmäßig fahlen Schimmel. Eine Stute von edlerem Geblüt, sicher nicht dazu vorgesehen, schwere Feldarbeit zu verrichten. Darauf saß ein junger Mann, wohl etwas über zwanzig Jahre alt, gekleidet in einen dunkelroten Wams und eine schwarze Hose sowie Stiefel aus kräftigem Leder. Auf seinem schulterlangen, hellbraunen Haar trug er weder Hut noch Kappe.
    In gebührlichem Abstand blieb Fine stehen.
    Der Fremde brachte sein Pferd zum Stehen und tat, als zöge er einen großen Hut. Dabei beugte er sich zu Fine hinab. »Guten Abend, verehrtes Fräulein.« In den Winkeln seiner großen, braunen Augen bildeten sich kleine Falten. Die Stimme klang eigentümlich, wie ein warmes Gurren. Fine hatte solchen Dialekt noch nie gehört. »Wie gut gekleidet Ihr seid«, meinte er. »Ist das so üblich bei Euch im Dorf?«
    Obwohl er recht forsch auftrat, musste Fine lächeln. Sie wies hinter sich auf den Gasthof. »Dort feiern liebe Freunde ihre Hochzeit. Ich bin nur hier draußen, um etwas Luft zu schöpfen.«
    »Ach so, dann müsst Ihr sicher gleich wieder zu den anderen«, entgegnete der Reitersmann.
    Sein Blick traf Fines Augen, und ihr war so, als berührte ein Sonnenstrahl ihre Seele. Etwas schnürte ihr die Kehle zu, und ein warmes Gefühl stieg in ihr auf, das sie nicht kannte.
    Offenbar spürte er ihre Befangenheit, denn er sagte: »Meine Eltern wollen, dass ich etwas vom weiten Land sehe, bevor ich den Hof übernehme und an Haus und Scholle gebunden bin. Und nun reite ich rheinabwärts mit einigen Schlenkern nach rechts und links, wie es mir eben gefällt. Mein Ziel ist wie beim Rhein die Nordsee, denn mindestens einmal im Leben will ich am rauen Meer stehen. Für heute habe ich noch ein gutes Stück Weg vor mir.«
    Obwohl der fremde Reiter so sachlich sprach, fühlte Fine sich immer noch gefangen von seinem Blick. Sie musste sich räuspern, bevor sie erwidern konnte: »Dann eine angenehme Reise.«
    »Danke, verehrtes Fräulein. Auch Euch alles Gute.«
    Beide hoben schon die Hand zum Abschied, da merkte Fine, wie ein Mann aus einer Seitentür des Gasthofs trat und auf sie zueilte.
    »Ich komme sofort, Pitter«, rief Fine ihm entgegen.
    Doch der Wirt ließ es sich nicht nehmen, den Fremden zu begrüßen. »Nun?«, fragte er freundlich, wie es seine geschäftliche Art war. »Braucht Ihr gutes, kaltes Wasser für Euch und Euren Gaul? Oder ein Quartier für die Nacht?«
    »Nein danke, Herr Wirt«, der junge Reiter wies auf seinen gefüllten Mantelsack und einen ledernen Köcher, der mit einer Flasche bestückt am Sattel hing. »Ich habe genug Proviant dabei, und meine Stute hat eben noch am Bach getrunken. Und nun muss ich

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