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Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Titel: Das Magdalena-Vermächtnis: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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half es auch nichts, dass einige Florentiner ihrer Eskorte plumpe Witze über Lorenzos legendäre Tapferkeit rissen und einige der Freuden andeuteten, die die Braut in ihrer Hochzeitsnacht erwarten konnte. Clarice war außer sich vor Angst und Scham und sagte den größten Teil der Reise kein Wort.

    Der Hochzeitsempfang wurde im Palazzo Medici auf der Via Larga abgehalten. Keine Kosten waren gescheut worden. Fleischbriet seit Tagen. Es gab orientalisches Zuckerwerk und hundert Fässer Wein. Bebänderte Orangenbäume in Terrakottatöpfen, das Symbol der Medici, waren großzügig im ganzen Haus verteilt worden.
    Die Braut wurde durch das Hauptportal in den Palazzo geführt. Sie trug ein aufwendiges Kleid aus Spitzenstoff und Damast und schritt sehr langsam, da sie auf dem Kopf einen schweren edelsteinbesetzten Kopfputz balancierte, den ihr die Eltern zu dem feierlichen Anlass geschenkt hatten. Clarice mochte es verwehrt geblieben sein, das Ehegelübde auf traditionelle Art abzulegen, aber sie sollte nach dem Willen der Orsini am Tag ihres Empfangs die beste Figur machen. Die Florentiner würden einsehen müssen, dass diese Römerin ihnen ebenbürtig war und dass ihr der Rang einer Medici-Braut und der ersten Dame von Florenz zustand.
    Doch plötzlich verharrte die junge Braut mitten im Schritt. Sie hatte die Statuen im Hof erblickt: Donatellos »David« in seiner prächtigen Nacktheit und gleich daneben »Judith«, im Begriff, Holofernes das Haupt abzuschlagen. Sie waren die Symbole der männlichen und der weiblichen Macht in ihrer erhabensten Form, geschaffen von einem der größten Künstler im Auftrag des berühmtesten Mäzens.
    Lucrezia de’ Medici, die ihre junge Schwiegertochter zum Empfang geleitete, blieb gleichfalls stehen, weil sie fürchtete, die behütete Römerin könne ohnmächtig werden. »Was ist denn, Clarice?«
    Clarice deutete voller Grauen auf die Skulpturen. »Diese … diese schrecklichen Götzen! Warum stehen sie an meinem Hochzeitstag hier im Hof?«
    »Aber sie stehen immer hier, Clarice. Es sind bedeutende Kunstwerke, die zur Sammlung der Medici gehören.«
    Doch Clarice schauderte. Sie schien jeden Moment in Tränen auszubrechen. »Sie sind geschmacklos!«
    Lucrezia nahm all ihre Geduld zusammen, ergriff ClaricesHand und zog sie zum Empfang. Eine junge, konservative Römerin mit der glanzvollen künstlerischen Kultur von Florenz vertraut zu machen, könnte eine größere Herausforderung sein, als sie sich vorgestellt hatte.

    Clarice de’ Medici wurde zu einer Gruppe junger, verheirateter Frauen gesetzt, wie es Sitte war beim Empfang einer Braut in Florenz, wo Männer und Frauen getrennt saßen. Clarice war dankbar, neben einer freundlichen jungen Adeligen mit Grübchen zu sitzen, die man ihr als Lucrezia Ardinghelli vorgestellt hatte. Die Frau war wunderschön, das war nicht zu übersehen, und sehr nett zu ihr. Sie schien eine Menge über Lorenzo zu wissen, da sie einander von Kindesbeinen an kannten. Vielleicht war diese Frau eine Verbündete, dachte Clarice. Und da die arme Lucrezia Ardinghelli die Gattin eines Seemanns war, musste sie oft monatelang allein bleiben. Vielleicht würde diese Frau ihre erste Freundin in Florenz werden.
    Clarice erlaubte sich optimistische Gedanken über weitere Freundschaften, die sie in Florenz schließen würde … bis zu dem Augenblick, als Lorenzo an ihren Tisch trat und die Damen begrüßte. Zwar behandelte er jede der jungen Ehefrauen mit ausgesuchter Höflichkeit, doch sein Blick ruhte eine Spur zu lange auf Lucrezia Ardinghelli, und sie wandte ihre Augen ebenfalls nicht von ihm ab. Zwischen den beiden bestand eine spürbare Bindung.
    Clarice Orsini de’ Medici mochte jung und unerfahren sein, aber sie war nicht blind.
    Sie hatte den Feind erkannt.

    Im Brautgemach wurde Clarice, wie es Brauch war, von weiblichen Hochzeitsgästen in das Nachtgewand gehüllt. Lucrezia Ardinghelli war bezeichnenderweise nicht dabei. Die Frauen neckten Clarice mit zärtlichen Worten und schnatterten begeistert über Lorenzos legendäre Männlichkeit; sie stupsten Clarice an und gaben ihr zu verstehen, sie sei die glücklichste Frau Italiens, weil sie diese nun genießen dürfe. Jedes Florentiner Mädchen hätte sich an den frivolen Scherzen beteiligt, doch für die behütete Orsini-Tochter waren sie in höchstem Maße anstößig. Endlich fiel den Frauen auf, dass die Braut vor Scham fast in Ohnmacht fiel, und sie enthielten sich weiterer Bemerkungen. Rasch beendeten

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