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Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Titel: Das Magdalena-Vermächtnis: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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küsste Colombinas Schlüsselbeinentlang, während er flüsterte: »Schön bist du, meine Freundin, ja, du bist schön. Zwei Tauben sind deine Augen.« Seine Stimme brach bei diesen Worten, so sehr hatte die Nacht ihm zugesetzt.
    Colombina wusste um den Tribut, den solche Pflichten von seinem Dichterherz forderten. Sie wusste, dass der Vollzug im Ehebett für Lorenzo schwerer gewesen war als für Clarice – unendlich viel schwerer. Ihr selbst, seiner Liebsten, würde stets die Rolle zukommen, ihm Freiheit zu schenken, sodass er seinen intimsten Gefühlen freien Lauf lassen und in ihr seine Zuflucht finden konnte. Colombina hielt diese Rolle in Ehren. Und nun antwortete sie auf das heilige Lied, hielt Lorenzo in den Armen und sang die Strophe, die von Frühling und Neubeginn erzählte, mit ihrer sinnlichen Stimme:
     
    »So komm doch, mein Liebster,
    Denn vorbei ist der Winter,
    Und verrauscht der Regen.
    Auf der Flur wachsen die Blumen;
    die Zeit der fröhlichen Lieder ist da,
    die Stimme der Turteltaube erklingt
    in unserem Lande.«
     
    Sie streichelte sein Haar, während sie die letzte Zeile mit Nachdruck und unter Tränen wisperte: »Der Geliebte ist mein, und ich bin sein.«
    Lorenzo weinte hemmungslos, während er sie liebkoste, sie, sein einziges Refugium des Vertrauens und der Bewusstheit. Die gestohlenen Stunden mit Colombina würden stets bittersüß sein. Dass Gott ihm eine so vollkommene Gefährtin geschenkt hatte und dennoch nicht erlaubte, dass sie zusammen waren, würde in Lorenzos Leben eine immerwährende Prüfung für seinen Glauben darstellen und eine ständige Quelle der Pein.
    Er hielt Colombinas Gesicht in den Händen und schaute ihr in die Augen, als er in sie eindrang.
    »Es ist stets Frühling, wenn ich bei dir bin«, flüsterte er, während sie den vollendeten Rhythmus der Liebenden fanden, die füreinander bestimmt waren. »Du bist meine einzige Geliebte, Colombina. Meine wahre Frau vor den Augen Gottes. Semper. Immer.«
    Und dann war die Zeit für Worte vorbei. Sanfte, suchende Lippen fanden sich, und ihre Körper und Seelen vereinigten sich wie seit Anbeginn der Zeit.

    Die Eltern von Simonetta Cattaneo wären froh über die Freunde gewesen, die ihre geliebte Tochter in Florenz fand. Lucrezia Ardinghelli, von ihren engsten Freunden Colombina genannt, die kleine Taube, nahm das schöne, schüchterne Mädchen unter ihre Fittiche. Sie fügte die liebliche Simonetta in ihre Gemeinschaft ein und vermerkte belustigt, dass die Männer des Ordens Simonetta zu Füßen lagen, sobald sie auch nur ein Zimmer betrat.
    Colombina erzählte Simonetta von den wunderbaren Ordenslehren und von Liebe und Gemeinschaft, die ihr eigenes Leben so unvorstellbar bereichert hatten. Sie hielt die Hand der jungen Freundin während des heiligen Unterrichts über die Vereinigung, der von Ginevra Gianfigliazza, der Meisterin des Hieros gamos, erteilt wurde. Solcher Lehrstoff über den tiefen körperlichen Austausch zwischen Mann und Frau war für eine sensible Seele wie Simonetta Cattaneo einschüchternd, wenn nicht sogar erschreckend. Sie war eine sanfte Romantikerin, und diesem Seelenzustand entsprach ihr zarter Leib. Simonetta war zwar hochgewachsen, aber außerordentlich zart und blass, bisweilen sogar kränklich. Sie aß nicht viel und nicht häufig genug und bekam manchmal Hustenanfälle, die sie zwangen, das Bett zu hüten. Zwar hatte sie die Ehe mit Marco Vespucci vollzogen, aber Colombina und Ginevra wussten, dass es das erste und einzige Mal gewesen war, dass eine körperliche Vereinigung des Paares stattgefunden hatte.Simonetta war einfach nicht kräftig genug, um sich der Gefahr einer Schwangerschaft auszusetzen. Zum Glück war ihr Mann sanft und geduldig und bereit, alle Ärzte der Toskana zu konsultieren, um Simonetta zu heilen und ihr zu besserer Gesundheit zu verhelfen, bevor sie Mutter werden konnte.
    Für eine Frau mit einem anderen Naturell wäre ein so vollkommenes Menschenkind wie Simonetta eine Bedrohung oder zumindest ein Ärgernis gewesen. Aber Colombina kannte und fühlte keine Eifersucht. In den Unterrichtsstunden des Meisters hatte sie die Gefahren der Sieben Muster des Bösen Denkens sehr gut kennengelernt, und die schlimmste dieser Sünden war der Neid. Neid war eine Beleidigung Gottes. Wer neidisch war, glaubte, dass er nicht in Vollkommenheit erschaffen sei, wie die himmlische Mutter und der himmlische Vater es gewollt hatten. Neid war wie ein Vorwurf an Gott, dass er einen anderen

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