Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
Gedanken rasten, »der junge Kardinal möchte Giuliano unbedingt kennenlernen. Er wird bitter enttäuscht sein, wenn Giuliano nicht zugegen ist.«
Lucrezia de’ Medici lächelte. Giuliano war liebenswürdig und reizend; da war es nur zu verständlich, dass seine Abwesenheit bedauert wurde. Aber ihr Jüngster war auch ein wenig eitel, um die Wahrheit zu sagen; deshalb wollte er sein entzündetes Auge nicht unbedingt bei einem Bankett zeigen. Lucrezia hoffte nur, ihre Antwort werde Franceschino besänftigen.
»Der Kardinal wird Gelegenheit haben, Giuliano beim Hochamt zu sehen. Er wird die Ostermesse bestimmt nicht verpassenwollen, zumal er für so vieles dankbar ist und nichts sehnlicher möchte, als die glorreiche Wiederauferstehung unseres Herrn zu feiern. Danach aber kehrt er sogleich in den Palazzo zurück, denn zweifellos wird er erschöpft sein und Schmerzen leiden, weil er das erste Mal seit seinem Unfall das Bett verlassen hat.«
Franceschino de Pazzi hörte schon gar nicht mehr zu. Wieder hatte die Lage sich völlig verändert. Nun gab es nur noch eine Möglichkeit: die Medici-Brüder am Morgen während der Ostermesse im Dom zu Florenz zu ermorden.
»Ihr seid verrückt, das sage ich Euch. Verrückt!« Monteseccos Gebrüll ließ die Mauern des Palazzo Pazzi beben. »Damit will ich nichts zu tun haben! Ihr habt mich zu weit getrieben. Ich will meinen Verbrechen nicht auch noch Gotteslästerung hinzufügen. Ich töte keinen Menschen während einer Messe. In einer Kirche! Am Ostersonntag! Wisst Ihr, was Ihr da redet? Lebt noch ein Rest von Anstand in Euch?«
Salviati zog seine Wieselnase kraus. »Wie könnt Ihr es wagen, in diesem Ton mit uns zu sprechen? Wir haben keine andere Wahl. Und da es scheint, als zwinge Gott uns dazu, müssen wir annehmen, dass es sein Wille ist.«
Jacopo de Pazzi war nur müde. Er war zu alt für solche Komplotte, die ihm überdies gegen den Strich gingen. »Montesecco hat recht. Das geht zu weit.«
Franceschino de Pazzi wurde beinahe hysterisch. »Ihr versteht nicht! Das ist unsere einzige Chance! Montesecco, Ihr habt selbst gesagt, dass die Truppen aus Imola und den umliegenden Regionen der Romagna im Anmarsch sind und die Stadtmauern von Florenz erreichen werden, wenn die Messe zu Ende ist. Wir müssen es zeitlich so abstimmen, dass die Soldaten uns unverzüglich zu Hilfe eilen können. Ihr kümmert Euch im Dom um Lorenzo, und ich übernehme Giuliano.«
Jacopo blinzelte angestrengt, als sähe er seinen Neffen zum ersten Mal. » Du? Du willst den Dolch schwingen, der Giuliano de’ Medici tötet?«
»Natürlich.« Franceschino sagte es, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. »Man wird mich als Helden feiern, als einen jener Männer, die mutig genug waren, der Bedrohung durch die Medici entgegenzutreten und Florenz von den Tyrannen zu befreien.«
Ach du lieber Gott, dachte Jacopo, während er traurig den Kopf schüttelte. Franceschino war wirklich verrückt.
In diesem Moment war jeder der Beteiligten an dem Komplott, das als Pazzi-Verschwörung in die Geschichte eingehen sollte, gezwungen, seine eigene Entscheidung zu treffen. Für Franceschino de Pazzi und Erzbischof Salviati, blind vor Gier, Neid und ungezügeltem Ehrgeiz, gab es nur eine Option: Sie waren entschlossen, ja, sie freuten sich sogar darauf, die beiden Medici-Brüder am Ostersonntag zu ermorden. Zwar würde Salviati nicht selbst den Dolch führen, doch auch er spielte eine maßgebliche Rolle: Er würde derjenige sein, der nach einem vereinbarten Signal aus dem Dom in den Ratssaal der Signoria marschieren und die Macht im Stadtstaat übernehmen sollte. Dabei würde er von einem Mitverschwörer unterstützt werden, der die Aufgabe hatte, das Heer in die Stadt einzulassen. Begleitet würden sie von Söldnern Monteseccos, die bereit waren, jeden Ratsherrn der Signoria zu töten, der sich ihnen in den Weg stellte. Dies war Revolution. Dies war Krieg. Menschen würden sterben. So ging es nun mal zu auf der Welt.
Doch für den Söldnerführer Giovan Battista da Montesecco war die Verschwörung zu Frevel und Wahnsinn geworden. Er hatte seit einiger Zeit nach einer Möglichkeit gesucht, sich zurückzuziehen. Schon vor der Begegnung mit dem alten Mann in der Taverne hatte er gewusst, dass er auf der falschen Seite stand. Er wollte Lorenzo de’ Medici nicht töten. Seine Hand sollte nicht diejenige sein, die ein so erhabenes Leben beendete.Tatsächlich war ihm schon in den Sinn gekommen, an Lorenzos
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