Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
waren fertig. Vittoria Buondelmonti war eine der ersten Käuferinnen gewesen; sie hatte ihr Luxusapartment als Investition für die Zukunft erworben. Zwar hielt sie sich selten in dieser Wohnung auf, weil der Baulärm lästig war; dennoch war sie bequemer und anheimelnder als jedes Hotelzimmer. Vittoria lebte für die Kameras der Paparazzi, doch manchmal wollte sie – vor allem wegen Dante – ihrer Berühmtheit entkommen und unsichtbar werden. Das alles hatte sie Berenger erklärt, als sie ihm das Gebäude beschrieben und ihm von dem verborgenen Eingang abseits der Straße erzählt hatte. Deshalb wusste er nun genau, wo er einbiegen musste, als er das erste Baugerüst erreichte. Doch näher sollte er dem Haus nicht kommen.
Der Feuerball stieg in den Nachthimmel und übergoss Florenz mit gelbem, flackerndem Licht, während Bauschutt auf Berenger Sinclair herabregnete.
Kapitel achtundzwanzig
Florenz
1486
L o renzo arbeitete in der Bibliothek seines Landhauses in Careggi an einem verzwickten Sonett, als Clarice den Raum betrat. Er seufzte – nicht allzu laut, hoffte er – und nahm die Brille ab. Er konnte es seiner Frau vom Gesicht ablesen, dass ein Streit bevorstand, wie er selbst nach siebzehn Jahren Ehe und sieben überlebenden Kindern hin und wieder zwischen ihnen entbrannte.
»Lorenzo, stimmst du mir zu, dass ich eine pflichtbewusste Ehefrau und hingebungsvolle Mutter unserer Kinder bin?«
Er wusste, dass dies nur die Einleitung zu etwas Unangenehmem sein konnte; deshalb kam er gleich zur Sache. »Gewiss, Clarice. Worum geht es?«
»Lass mich erst ausreden, Lorenzo. Es ist nicht, was du denkst.«
Lorenzo schwieg und ließ sie fortfahren.
»Nein, ich habe schon seit Langem gelernt, mit dem allgegenwärtigen Phantom Lucrezias in unserem Schlafgemach zu leben. Sie ist eine Wunde, die niemals verheilen wird und dennoch nicht mehr blutet. Weißt du, ich kann sie nicht einmal mehr hassen. Denn sie liebt dich. Welche Frau würde das nicht? Aber ich bin nicht gekommen, um über Lucrezia zu sprechen …«
Clarice zögerte, was Lorenzo ein wenig unruhig machte. Welches Thema konnte so gefährlich sein, dass sie zauderte, es anzuschneiden? Doch er war zu müde, um geduldig zu warten. »Worum geht es dann?«
Clarice atmete tief durch; dann platzte sie heraus: »Um Angelo.«
Lorenzo meinte sich verhört zu haben. »Angelo? Meinen Angelo?«
Seine Ungläubigkeit schien Clarices Entschlossenheit zu stärken. »Ja, und er mag ruhig dein Angelo sein. Ich kann nicht bestimmen, wen du dir zum Freund erwählst. Aber ich kann und werde bestimmen, wer meine Kinder erzieht. Ich werde nicht zulassen, dass dieser Mensch meinen Kindern weiterhin ketzerische Ideen in den Kopf setzt. Heute hat unsere kleine Maddalena mir erzählt, sie sei nach der Ehefrau Jesu getauft worden.«
Lorenzo zuckte die Achseln. »So ist es ja auch.«
»Nein, so ist es nicht! Sie wurde nach meiner Mutter getauft, einer frommen und edlen Frau von reinstem römischem Blut. Und meine Mutter wiederum wurde nach einer Heiligen genannt, nach Maria Magdalena, der reuigen Sünderin und erlösten Büßerin.«
»Warum kommst du mir damit, Clarice? Und warum ausgerechnet jetzt?«
»Weil ich nicht will, dass meine Kinder so etwas lernen. Wenn du deine Ketzereien weiterführen willst, kann ich dich nicht daran hindern. Aber ich werde meinen Kindern nicht mehr erlauben, Teil davon zu sein.«
Nun riss Lorenzos Geduldsfaden. »Deine Kinder? Sie sind auch meine Kinder, falls du nicht etwas vor mir verbirgst, von dem ich lieber nicht erfahren sollte.«
»Lorenzo! Wie kannst du es wagen?« Fassungslos über die Kränkung starrte sie ihn an. Lorenzo war selten grausam, doch Clarice überspannte den Bogen seiner Geduld oft so weit, dass es nicht zu ertragen war. »Meine Kinder … unsere Kinder … werden jedenfalls nicht der Gotteslästerung anheimfallen. Ich werde nicht zulassen, dass dieser Mensch die Knaben weiterhin Ketzerei lehrt. Giovanni ist für die Kirche bestimmt!«
»Ja. Aber für welche Kirche, Clarice? Deine oder meine?«
»Ich meine es ernst! Ich werde dafür sorgen, dass Angelo unser Haus verlässt.«
»Du gehst zu weit!«
»Nein, ich bin noch lange nicht weit genug gegangen. Auch um dich fürchte ich, Lorenzo, weißt du das? Ich bete für deine unsterbliche Seele, dass sie nicht zur Hölle fährt!«
Lorenzo seufzte. Es war ein tiefer, gequälter Seufzer.
»Du kommst zu spät, Clarice. Ich bin bereits in der Hölle.«
Der Streit
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