Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
Gesundheit mitgespielt. Doch er litt an der Gicht, der Fluch der männlichen Medici, die schon seinen Vater und Großvater ins Grab gebracht hatte. Lorenzo war erst dreiundvierzig, und er hoffte, so alt werden zu können wie Cosimo, wenn er strenge Diät hielt und sich behandeln ließ. Piero war viel zu töricht, um das Medici-Imperium zu leiten, und Giovanni – mit seinen vierzehn Jahren zum jüngsten Kardinal in der Geschichte ernannt – war viel zu jung, um die Geschäfte zu übernehmen.
Lorenzo hatte zu wenig Kraft oder Mut, um sich auch noch mit Savonarola anzulegen, und so konnte der eifernde Bruder seine giftigen Hasspredigten ungehindert fortsetzen.
Zornig und verstört kehrte Angelo aus dem Dom zurück, in dem Savonarola frühmorgens vor einer großen Menge gepredigt hatte. »Wir müssen ihn aufhalten, Lorenzo. Jetzt spielt er schon den Propheten! Wir beide wissen sehr gut, dass er bloß Prophezeiungen erfindet, die er niemals erfüllen kann, aber der einfache Bürger weiß das nicht. Wenn Savonarola behauptet, dass am Morgen die Sonne aufgeht, springen seine törichten Anhänger auf, beten am nächsten Morgen die Sonne an und rufen: ›Fra Girolamo hatte recht! Die Sonne ist wirklich aufgegangen!‹«
Lorenzo lag zu Tode erschöpft im Bett. Er war von Montecatini zurückgekehrt, wo er das heilkräftige Wasser getrunken hatte,denn es schien seine Gicht ein wenig zu lindern. Doch der Ritt zurück durch die halbe Toskana war beinahe zu schmerzhaft gewesen, als dass es die Mühe gelohnt hätte.
»Lasst ihn doch zetern, Angelo. Mir ist es egal.«
»Es darf dir aber nicht egal sein! Er sagt deinen Tod voraus.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Er sagt, Gott habe dich aufs Krankenlager geworfen. Schon bald werde sich dein Zustand verschlechtern, und du stirbst.«
»Ich habe nicht die Absicht, Angelo. Damit werden wir Savonarola ein für alle Mal als Lügner entlarven.«
»Ich hoffe es, Magnifico. Ich hoffe es sehr.«
Lorenzos Zustand verschlechterte sich. Es erging ihm wie einst seinem Großvater: Das Stehen tat so weh, dass er nur noch liegen konnte. Doch er würde nicht sterben; dessen waren Lorenzo und seine Ärzte sich vollkommen sicher. Sie versuchten es mit allen möglichen Heilmitteln, darunter eine absonderliche Mixtur aus gestoßenen Perlen und Schweinedung, in Gewürzwein gekocht. Der Trank war so abscheulich, dass Lorenzo erklärte, die Gicht sei ihm lieber.
Während der Tage und Nächte in Careggi, in denen er das Bett hüten musste, wurde Lorenzo von den Menschen umsorgt, die ihm am nächsten standen. Angelo und Ficino lasen ihm vor; Giovanni und Giulio kamen mit ihren lateinischen und griechischen Lehrbüchern zu ihm. Seine Töchter überschütteten ihn mit Aufmerksamkeiten. Michelangelo kam und saß still am Bett, zufrieden damit, bei dem Mann zu sein, der ihm so lieb und teuer war wie ein Vater. Manchmal zeichnete er; dann wieder stellte er Fragen über das Leben, die Kunst, den Orden. Michelangelo war ein ungezwungener und willkommener Besucher. Lorenzo nannte ihn stets »mein Sohn«.
Colombina kam, so oft es ihr möglich war, und besuchte gleichzeitigden Meister und Lorenzo. Jedes Mal küsste sie Lorenzo auf die Stirn und sang ihm vor; manchmal hielt sie auch nur seine Hand, während er schlief. Immer betete sie inbrünstig zu Gott, er möge ihren Prinzen heilen, sodass sie ihre Mission fortführen könnten und dass sie ihn noch viele Jahre lieben dürfe.
Sandro kam oft mit Skizzen für Gemälde. Seine Besuche munterten Lorenzo am meisten auf, denn Sandro konnte seinen Freund immer noch am besten zum Lachen bringen.
An einem Abend Anfang April kehrte er mit Colombina nach Florenz zurück und ließ Lorenzo in der Obhut Angelos und der Familie. Ihr Leben lang sollte Colombina sich fragen, was geschehen wäre, wenn Sandro und sie in Careggi geblieben wären. Denn eines wusste sie genau: Keiner von ihnen hätte Savonarola ohne Aufsicht in Lorenzos Gemach gelassen.
Zu Angelos Verteidigung muss gesagt werden, dass er auf die Situation nicht vorbereitet war. Der kleine Mönch war unangekündigt erschienen. Niemand hatte damit gerechnet, die Haustür zu öffnen und Girolamo Savonarola gegenüberzustehen. Er war mit drei Ordensbrüdern aus San Marco gekommen, von denen einer Angelo bekannt war. Rückblickend mochte dies zum Plan gehört haben, denn nur weil Angelo einen der Mönche kannte, bat er die Gäste herein.
»Ich wünsche Lorenzo zu sehen«, sagte Savonarola ohne Umschweife mit seiner
Weitere Kostenlose Bücher