Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
Anhänger der Medici, die nach Lorenzos Tod das Schlimmste befürchteten. Niemand hatte das Format, in seine Fußstapfen zu treten, während zugleich das Gespenst einer Schreckensherrschaft Savonarolas über der Stadt dräute.
Girolamo Savonarola seinerseits nutzte die Ereignisse des achten April für seine Zwecke, und er tat es meisterhaft.
»Gott hat gesprochen!«, tönte er am darauffolgenden Sonntag im Dom. »Er hat Lorenzo de’ Medici niedergestreckt, den Erzketzer und Tyrannen. Er hat uns seinen Zorn und seine Verachtung für die Frivolitäten gezeigt, denen Lorenzo huldigte. Gott hat uns das Böse gezeigt, das jeder Kunst, jeder Musik, jedem Buch innewohnt, das nicht sein heiliges Wort ist. Er hat uns mit seinem Blitz gezeigt, dass er die Republik Florenz strafen wird, und als erste Opfer hat er die Löwen getötet. Wollt ihr die nächsten Opfer sein?«
Der schmächtige Mönch schien von seiner Kanzel aus Feuer zu versprühen. Dicht an dicht drängten sich die Menschen im Dom. Voller Angst antworteten sie auf die Frage des Predigers: »Nein!«
»Habe ich nicht prophezeit, dass Lorenzo stirbt, noch ehe dieneue Jahreszeit anbricht? Habe ich euch nicht gesagt, dass Gott die Tyrannei und Blasphemie der Medici nicht länger duldet?«
Savonarola gab sich nicht damit zufrieden, dass seine Prophezeiungen sich erfüllt hatten. Obendrein streute er das Lügenmärchen aus, er habe ein letztes Gespräch mit Lorenzo geführt. Der Ketzer habe sich noch auf dem Sterbebett geweigert zu widerrufen, obwohl er, Fra Girolamo, selbstlos nach Careggi gekommen sei, um ihm die Gnade der Absolution anzubieten. Lorenzo de’ Medici sei bis zu seinem letzten Atemzug ein Ketzer geblieben und mit sündenbefleckter Seele gestorben. Er, Girolamo, habe keine andere Wahl gehabt, als dem Sterbenden die Letzte Ölung zu verweigern, da er sich bis zum Ende als unbußfertiger Häretiker gezeigt habe.
Die Botschaft war deutlich: Ketzerei führte zum Tod. Und die Medici waren Ketzer.
Kapitel einunddreißig
Florenz
Gegenwart
Ü ber dem Arno ging die Sonne unter und verwandelte die Dächer von Florenz in ein Terrakotta-Mosaik aus Braunund Ockertönen. Berenger und Maureen saßen Hand in Hand auf der Dachterrasse, genossen die Aussicht und die Gesellschaft des anderen.
»Ich wollte dir heute Nachmittag sagen, dass ich Vittoria unter keinen Umständen heiraten würde«, erklärte Berenger. »Selbst wenn Dante mein Sohn wäre. Selbst wenn er die Wiederkunft Christi wäre, wie die Prophezeiung sagt. Ich werde zu der einen Wahrheit in meinem Leben stehen, zu meiner wahren Liebe – der Liebe zu dir.«
Maureen gab ihm einen Kuss. »Die Zeit kehrt wieder«, sagte sie dann, »aber es muss nicht so sein.«
»Ja. Der Kreislauf muss durchbrochen werden, Maureen, das habe ich begriffen. Es ist Zeit für eine neue Renaissance, ein Goldenes Zeitalter, das diesmal das einundzwanzigste Jahrhundert sein wird, eine Neugeburt unseres Denkens, Glaubens und Handelns. Es ist eine Zeit der Wiedergeburt durch die Liebe, und nur durch sie. Hätte ich mich an Vittoria gekettet, dann hätte ich den Teufelskreis des Verlusts aufrechterhalten und das größte Geschenk abgelehnt, das wir Menschen kennen. Die Heirat mit Vittoria hätte nur dazu gedient, das Leiden zu mehren, und das will Gott nicht von uns. Es wäre eine Art Märtyrertum gewesen.«
Die Erkenntnis traf Maureen tief. Nun verstand sie, was Destinovielen seiner Schüler durch die Zeitläufe beizubringen versucht hatte. Zusammen sprachen sie das Gebet des Ordens:
»Wir loben Gott und beten für eine Zeit,
in der alle Menschen unsere Lehre
in Frieden willkommen heißen,
und in der es keine Märtyrer mehr gibt.«
Felicity de Pazzi verband sich sorgfältig die Hände. Die Gedenkfeier zu Ehren von Savonarolas Märtyrertod war großartig verlaufen. Es waren mehr Menschen gekommen als in Rom, und ihre Stigmata hatten herrlich und pünktlich geblutet. Das Fegefeuer war klein gewesen, der Anblick der verbrennenden Bücher jedoch überaus dramatisch. Ketzerei und Blasphemie gingen in Flammen auf, die hoch emporloderten, weil Felicity das Feuer mit Benzin aus einem Kanister angefacht hatte.
Jetzt nahm sie den Kanister und trug ihn zu ihrem Wagen. Ihre Hände bluteten und schmerzten, doch Felicity brauchte sie für ihre nächste Unternehmung. Sie hatte noch ein paar Stunden, bis es dunkel wurde. Doch allzu viel Zeit war es nicht.
Kapitel zweiunddreißig
Florenz
1497
S i e ist Eure Tochter,
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